Ärger in Vorst Stadt plant Klage gegen Windräder
Vorst · Der Protest zeigt Wirkung. Verwaltung und Politik wollen die Bürger aus Vorst und Süchteln unterstützen. Weiter geht’s im Rat.
Am Tag der Planungsausschusssitzung sendet der St. Töniser Herbert Derksen „nachhaltige Grüße“ in die Redaktion. Mit gezeichneten „Frühlingsboten“, die allerdings nichts mit blauen Bändern und lauen Lüftchen zu tun haben. Im Gegenteil: mit Gegenwind und heraufziehenden dunklen Wolken. Eine Zeichnung zeigt zwei Windräder, deren Masten und Maße die „Skyline“ von Vorst mit Pfarrkirche St. Godehard um ein Vielfaches überragen. Eine zweite zeigt sein „Landschaftsfenster Vorst“ – Rotoren eines Windrades, an dem schwarze und rote Punkte verletzte Vögel markieren sollen.
Derksen reiht sich mit dem Protest in die große Zahl von Bürgern aus Vorst und Süchteln ein. 50 waren am Dienstag im Tönisvorster Planungsausschuss, nutzen die Einwohnerfragestunde. Sie wollten aus erster Hand von Thomas Goßen erfahren, warum er als Bürgermeister das Einvernehmen der Stadt zu dem Bauvorhaben gegeben hat, das die Errichtung von zwei 199 Meter hohen Windrädern im Vorster Süden vorsieht. Zum Vergleich: Der Kölner Dom ist 157 Meter hoch. Der Kreis Viersen als Genehmigungsbehörde hat dem Bau am 31. Januar zugestimmt.
„Wir haben eine Riesenangst vor diesen hohen Windrädern“, sagte ein Vorster stellvertretend für viele. Windenergieanlagen in einem Landschaftsschutzgebiet? Da werde „grob mit der Natur umgegangen“, mit der Gesundheit der Bürger gespielt, ein möglicher Wertverlust von Immobilien hingenommen, die man 30 bis 40 Jahre abbezahlt habe. Andere äußerten ihre Sorge um ihre Kinder. Vorster wie Süchtelner fühlen sich nicht rechtzeitig informiert. An die Adresse von Goßen meint eine Frau: „Sie haben doch eine Fürsorgepflicht für uns Bürger.“
17 Fragen und etliche Nachfragen beantwortet Goßen in der Sitzung. Er sei, sagt er vorweg, „nicht glücklich mit der Errichtung der Windräder“. Am 21. Februar habe er per E-Mail von der Genehmigung des Kreises Viersen Kenntnis bekommen.
Goßen: Stadt hatte keinen Entscheidungsspielaraum
Goßen gab den Kritikern Recht, dass er das erfolgte Einvernehmen „im Nachgang noch einmal hätte kommunizieren sollen“. Über den Vorgang und die Aufforderung seien Ausschüsse informiert gewesen. Eine solche Einvernehmenserklärung sei ein verwaltungsinternes Verfahren, das zum laufenden Geschäft der Verwaltung gehöre. Eine Verweigerung des Einvernehmens hätte nur aus Gründen des § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich) erfolgen dürfen. Für die Stadt habe aber zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit zur rechtmäßigen Versagung bestanden. „Das war keine politische Entscheidung mit einem Entscheidungsspielraum“, betonte Goßen.
Im Anschluss an die Einwohnerfragestunde sprach Goßen mögliche Klageschritte und ihre Aussichten auf Erfolg an. Ein sogenanntes Normenkontrollverfahren gegen den Regionalplan sei nach seinem Dafürhalten „der falsche Weg“. „Richtiges Werkzeug“ könne eine Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof des Landes sein, sorgfältig geprüft und begründet. Sie ermöglicht es, die durch die Landesverfassung garantierten Rechte gegenüber dem Land durchzusetzen. Ein Ansatzpunkt könnte etwa die Verletzung der Planungshoheit der Stadt Tönisvorst sein. Bürger, sagte Goßen, hätten Chancen durch private Klageverfahren (Grundrecht auf Eigentum).
Bürgermeister ist zu einer Anfechtungsklage bereit
Er sei bereit, so Goßen, umgehend und vorsorglich eine Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht zu deponieren, auch um keine Fristen zu versäumen. Inhaltlich prüfe die Fachanwaltskanzlei Redeker-Sellner-Dahs mögliche Klagewege und -aussichten einer kommunalen Verfassungsbeschwerde. Bis zum 10. April könne diese anwaltliche Prüfung vorliegen.
Die Politiker im Planungsausschuss signalisierten der Bürgerinitiative gegen die Windräder durch alle Fraktionen hindurch ihre Unterstützung. SPD, Grüne und GUT wollen alle möglichen Klageverfahren anstrengen, CDU und FDP sich zielgerichtet auf die mit den besten Erfolgsaussichten konzentrieren. In der Ratssitzung am Donnerstagabend soll die Verwaltung grundsätzlich über mögliche Klagewege und Kosten informieren.
Bürger sehen die
Möglichkeit von Privatklagen
Bei Bürgern ist am Dienstag der Eindruck von einer Wende angekommen. Bis dato habe sie eher die Furcht vor einem Riesenberg Schadenersatz gespürt, sagte eine Süchtelnerin. Unterstützer der Initiative fühlen sich von der Politik in der Breite gestärkt und von der Stadt wahrgenommen. „Wir hatten den Eindruck, dass die Stimmung während der Sitzung zu Gunsten der Windkraftgegner gekippt ist“, so Isabel und Philipp Joeden. Durch die große Beteiligung sei der Druck auf den Bürgermeister und verantwortliche Personen so groß geworden, dass sich zum Schluss alle Fraktionen einig gewesen seien, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen und die Windkrafträder zu verhindern. „Wir sind uns aber sicher, dass die schon genehmigten Windkrafträder nur durch engagierte betroffene Bürger und durch Privatklagen gestoppt werden können“, so das Ehepaar Joeden.