Schlossfestspiele Neersen: Posse um allzu Menschliches

Ein „eingebildeter Kranker“ mit vielen Übertreibungen.

Neersen. Welch ein stimmungsvolles Ambiente mit Lichtern, Feuer, einer kleinen Zeltstadt und rotem Teppich:

Die Theaterpremiere des Molière-Klassikers „Der eingebildete Kranke“ wurde zum 30-jährigen Bestehen der Schlossfestspiele Neersen zu einem locker-leichten Sommertheaterabend mit vielen gut gelaunten Premierengästen.

Sie waren gespannt auf die Inszenierung der Posse um Menschlich-Allzumenschliches, die diesmal Intendantin Astrid Jacob selbst in der frechen Fassung der Übersetzung von Engelmann vorgenommen hatte.

Das Publikum hatte seinen Spaß mit der clownesken Aufführung und dankte mit artigem Beifall. Molière hat seine Figuren schon grotesk überzeichnet, Astrid Jacob tut ein Übriges: bewusst bis an die Grenze der Albernheit und noch darüber hinaus, etwa in dem slapstickhaften Auftritt des arg dümmlichen Vater- und Sohn-Paares Diafoirus (Sven Post und Holger Stolz). Das ist so gewollt und findet seine Lacher.

In der Titelrolle gibt ein alter Bekannter den Hypochonder auf eine fast rührende weinerlich-kindliche Art: R.A. Güther ist der skurrile „Kranke“ Argan, der den Ärzten und Apothekern allzu naiv vertraut und von ihnen ausgenutzt wird. Ihm zur Seite agiert Jennifer Kornprobst in der dankbaren Rolle des quirligen, aufmüpfigen Dienstmädchens Toinette.

Die Geschichte, die der begnadete Komödienschreiber Molière im 17. Jahrhundert binnen einer Woche niederschrieb, ist heute noch so aktuell wie damals: Toinette öffnet ihrem immer kränkelnden Dienstherrn die Augen über dessen zweite Frau Belinde (Claudia Dölker), die keineswegs die liebende Gattin, vielmehr eine geldgierige Person ist.

Es gibt Verwicklungen, bis am Ende die wahre Liebe zum Vater deutlich wird: Tochter Angelique (sympathisch: Verena Held), die von Argan mit dem tumben Thomas Diafoirus verheiratet werden soll — damit er immer einen Arzt im Hause hat — die aber Cleante (Michael Foerster) liebt, darf diesen am Ende doch heiraten.

Beralde (Mark Weigel), verwandt mit Argan, trägt viel zu diesem Happy End bei. Er überzeugt Argan, selbst Arzt zu werden, um sich selbst heilen zu können. Der hat zum Schluss schon alle Floskeln seiner umtriebigen Ärzte drauf. So endet die Komödie mit einem Happy End.

Philipp Engelmann hat die Sprache Molières in die heutige Zeit versetzt: Vom Anti-Aging-Programm bis zum Festgeld und der Bankenkrise ist der Stoff aktualisiert worden. Die heftigen Wutausbrüche Argans wirken dabei in der Sprache der Übersetzung arg überzogen, aber hier wird ja schließlich auch eine Posse gespielt.

Die Premierenbesucher wurden mit einem Glas Sekt begrüßt und mit Bier und Happen nach der Vorstellung verköstigt. Eine gute Idee, die andernorts auch schon mit Erfolg verwirklicht wurde, ist: „Ihr Persönlicher Platz bei den Schlossfestspielen“.

Die Theaterfreunde konnten für einen kleinen Geldbetrag ihren Namen auf der vom Sponsor unterstützten geplanten neuen Bestuhlung verewigen lassen. Viele machten davon sofort Gebrauch und unterstützten damit die Aktion im Interesse der Festspiele.

Intendantin Astrid Jacob und der Vorsitzende des Vorstandes des Vereins Festspiele Schloss Neersen“, Hans Kothen, dankten den Sponsoren für Ihre Unterstützung und dem Theaterpublikum für seine Treue in drei Jahrzehnten. Mit so viel Hilfe sieht man auch für die Zukunft des einzigen Freilufttheaters mit eigenem Ensemble in NRW nicht schwarz.