Schriftexperte des Heimatvereins

Heinz Guntermann ist gelernter Grafiker und Schriftexperte des Heimatvereins in Schiefbahn.

Foto: Reimann

Schiefbahn. Ihm ist kein Zettel zu schmuddelig, keine Schrift zu schlecht, um von ihm nicht entziffert werden zu können. Für seine Geduld wird Heinz Guntermann immer wieder belohnt. Bei den Heimat- und Geschichtsfreunden ist er der Spezialist für alte Schriften — Schriften, die denen, die sie lesen, Interessantes von früher mitzuteilen haben.

Foto: Reimann

Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit von Heinz Guntermann: „Ich habe gelernt, genau hinzuschauen.“ Das tat er zum Beispiel bei der Lohnabrechnung eines Knechtes von 1801. Vor 113 Jahren hatte es nicht nur 19 Reichstaler Lohn gegeben, sondern auch „2 cnopfhosen“ und „ein Hehl“. „Was hier ein Hehl sein soll, da bin ich noch nicht hintergekommen“, gibt Guntermann zu. Vielleicht ein Kleidungsstück? Oder handelt es sich um einen Schreibfehler?

Im alten Schiefbahn war die Wortwahl mitunter recht deftig: „Die haben gejungt“, war nicht nur im Zusammenhang mit dem Vieh eine gebräuchliche Formulierung, sie wurde auch gewählt, wenn ein neuer Erdenbürger geboren wurde. „Sie hat utjepackt“: Das bedeutet, dass eine Frau ein Kind zur Welt gebracht hatte.

Dem Klang der Sprache von einst spürt Heinz Guntermann gerne nach — Gelegenheit dazu geben ihm Dokumente wie der Lehrbrief von einem gewissen Jakobus Streithofen aus dem Jahre 1723. Dass er „fromm, gehorsam, treu und fleißig“ war, ist da zu lesen, und dass er von „ehelichen Eltern“ abstammt. Und er sei „ehelich gezichlet“, was immer das auch heißen mag.

1854 hatte ein Willicher ein Stück Wald erworben. Das Besondere an diesem Deal aus heutiger Sicht: Er war des Schreibens nicht mächtig, machte stattdessen ein Kreuz.

Aus der Franzosenzeit stammt die „Correspondence“ zwischen Bürgermeister Laurenz Heuser und dem Roer-Departement. „Ich habe mehr als 600 Briefe aus dieser Zeit gelesen, mehr als die Hälfte sind in französischer Sprache geschrieben“, berichtet Heinz Guntermann.

Schiefbahn gehörte zum Canton Neersen und zum Arrondissement Krefeld. Zum Glück sind die Briefe sorgfältig in französischer Kanzleischrift geschrieben — da hatte es für Guntermann schon größere Herausforderungen gegeben. Interessante Erkenntnisse aus dieser Lektüre gibt es viele.

Eine davon: Die Schiefbahner haben sich nicht darum gerissen, unter Napoleon Soldat zu werden: „Trotz meiner Mühe hat sich niemand gemeldet“, musste der Bürgermeister melden.

Im Rahmen von „Klopfjagden“ sollten junge Wehrpflichtige aufgespürt werden. 1813 wurde Josef Sürder als Kommandeur für eine solche Aktion ernannt.

„Sürder und seine Leute wussten, wo sie nicht so genau hinschauen und nicht zu laut klopfen durften“, erklärt Guntermann schmunzelnd. Dafür konnte der Bürgermeister darüber Bericht erstatten, „dass in jedem Haus ein Wassereimer zum Feuerlöschen bereitsteht“.