Schulfrei für Kopfnoten

Erstmals muss am Freitag auf den Zeugnissen das Arbeits- und Sozialverhalten beurteilt werden. Die Lehrer sind nicht begeistert.

<strong>Willich/Tönisvorst. In einigen Schulen sind sie schon gelaufen, in anderen stehen sie heute noch an: die Zeugniskonferenzen. War es bis dato so, dass sie in den Nachmittagsstunden stattfanden, damit kein Unterricht ausfällt, gehen sie nun meist über den ganzen Tag - sehr zur Freude der Schüler, die dann schulfrei haben. Schuld daran sind die Kopfnoten. Mit den Halbjahrszeugnissen, die am Freitag verteilt werden, stehen diese Zusatznoten auf den Zeugnissen aller Schüler der weiterführenden Schulen und auch auf den Zeugnissen der Viertklässler in den Grundschulen. "Wir brauchen einfach mehr Zeit, schließlich gibt es durch die Kopfnoten eine Menge weitere Noten, die vergeben werden müssen", begründet Ulrich Graf (Foto), Schulleiter der Willicher Robert-Schuman-Gesamtschule, die lange Zeugniskonferenz. Das Thema für die Gesamtschule nicht komplett neu: Hier werden seit 1998 einmal jährlich Bescheinigungen über Schlüsselqualifikationen zur sozialen und methodischen Kompetenz ausgestellt. Die Kopfnoten hatte Graf schon vor geraumer Zeit als "zu dürr" kritisiert: Sie sei nicht so aussagekräftig wie die Qualifikations-Bescheinigungen. "Wir haben vor den Weihnachtsferien Listen ausgelegt. Die Fachlehrer konnten ihren Notenvorschlag eintragen. Der jeweilige Klassenlehrer nahm diese Listen über die Ferien mit und machte auf Grundlage der Eintragungen Notenvorschläge für jeden Bereich", erklärt die kommissarische Schulleiterin Astrid Kampmann die Vorgehensweise am Anrather Lise-Meitner-Gymnasium. In der ganztägigen Zeugniskonferenz seien die Noten eingetragen und eventuelle Abweichungen besprochen worden. Für die Oberstufe übernehmen die Leistungskurslehrer bzw. in der elften Stufe die Deutschlehrer die Aufgabe der Klassenlehrer.

In der Schiefbahner Willi-Graf-Realschule machen die Klassenlehrer die entsprechenden Notenvorschläge. "Die Kollegen schauen mit drauf. Wenn irgendwo eine Unstimmigkeit herrscht, wird diese besprochen", erläutert Schulleiter Hermann-Josef Müller. Das sei viel Arbeit gewesen.

Das sieht auch Ingo Miltz, Leiter des St. Töniser Michael-Ende-Gymnasiums, so. "Wir haben für jede Klasse einen Ordner angelegt, in dem wiederum jeder Schüler ein Blatt mit sechs Abteilungen für die verschiedenen Kopfnoten erhielt", stöhnt er. Alle Fachlehrer konnten hier das ganze Halbjahr über ihre Notizen zu den Kopfnoten eintragen. Die Klassenlehrer bauen daraus Gesamtnoten, die in der Zeugniskonferenz abgestimmt werden.

Hans-Gerd Segerath, ehemaliger Leiter der Johannesschule Anrath, ist ein Fan der Kopfnoten. Seine einzige Einschränkung: "Die dürfen nicht aufs Abschlusszeugnis." Grund: Schüler müssten sich mit diesen Zeugnissen vorstellen. "Das darf ihnen kein Nachteil sein. Die Noten sollen doch Hinweise für die Eltern sein, wo es Defizite gibt."

Neuerung: Auf den Schulzeugnissen ab der vierten Klasse stehen am 18. Januar neue Noten: Mit den so genannten Kopfnoten - sie stehen traditionell am Kopf des Zeugnisblattes - beurteilen Lehrer das Arbeits- und das Sozialverhalten. Je drei Noten sind in beiden Bereichen vorgesehen.

Arbeitsverhalten: Beim Arbeitsverhalten wird in Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Sorgfalt sowie Selbstständigkeit unterteilt.

Sozialverhalten: Im Part soziales Verhalten gibt es die Unterbereiche Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit. Es gibt vier Benotungen, die von sehr gut über gut und befriedigend bis zu unbefriedigend reichen.

Grundschule: Bislang standen in den Grundschulen schriftliche Anmerkungen auf den Zeugnissen. Dieses Verfahren bleibt für das erste und zweite Schuljahr bestehen. Für das Arbeits- bzw. das Sozialverhalten gibt es im dritten Schuljahr erste Kopfnoten. Die vierten Schuljahre erhalten sechs Kopfnoten mit entsprechender Benotung.

Boykott: Eine ganze Reihe von Schulen in NRW haben sich intern darauf verständigt, generell nur gute Noten zu geben. Nach Ansicht von Lehrerverbänden bedeutet die Neuregelung zwei Millionen Arbeitsstunden zusätzlich.