Willich Stahlwerk-Halle 4: „Alte Lady“ feiert 100. Geburtstag

Imposantes Industriedenkmal beherbergte früher Rüstungsproduktion. Heute ist die Firma Propipe froh über den Platz.

Foto: rei

Willich. Sie ist so groß, dass der imposante Faun-Oldtimer-Lastwagen, den Klaus Rabe aus seinem 200 Meter entfernten Museum gebracht hatte, wie ein Matchbox-Auto erscheint. Und sie ist 100, die Halle 4 auf dem Gelände von Stahlwerk Becker. Der Geburtstag der „Lady“ wurde gefeiert.

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Im Gründerzentrum informierte eine Fotoausstellung über die Geschichte des Stahlwerks, das Rahmenprogramm war von Nostalgie geprägt. Dabei ist die Halle nicht nur etwas für Freunde seltener Industriearchitektur: „Für uns ist die 8000 Quadratmeter große Fläche ideal“, sagte Dirk Graumann von der Firma Propipe. Dort lagern 54 000 Meter Rohre. Er lobte die Wirtschaftsförderung der Stadt Willich: „Da können sich viele vergleichbare Einrichtungen eine Scheibe von abschneiden.“

Sie hatte es nicht leicht, die Halle 4: zwölf Jahre nach den ersten Gebäuden auf dem damaligen Stahlwerksgelände errichtet, sollte sie kurz nach ihrer Fertigstellung ein Ort sein, wo Rüstungsgüter produziert wurden.

„Von solchen Hallen gibt es nur noch drei oder vier in ganz Deutschland“, sagte Willy Kerbusch, Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft. Nach dem Krieg wurde die Halle von den Royal Engeneers genutzt. Ursprünglich war in ihr das Feinwalzwerk untergebracht. Auf Fotos ist das zu sehen, was man echte Maloche nennen könnte. Umso ruhiger wurde es nach dem Abzug der Engländer. Die Halle schien zu einem der größten Taubenschläge zu verkommen.

Aber mit dem bemerkenswerten Bauwerk sollte es wieder bergauf gehen. „Die Grundstücksgesellschaft investierte 2,5 Millionen Euro in das Industriedenkmal“, so Kerbusch. Christian Pakusch, Aufsichtsratsvorsitzender der Grundstücksgesellschaft, erinnerte daran, für welche Zwecke die Halle auch im Gespräch gewesen war nach ihrer Sanierung: „Mal war die Rede von einer Großraum-Disco. Auch Ikea wurde als Nutzer gehandelt.“

Mit der Firma Propipe fand sich ein Mieter, der mit Stahl zu tun hat. 16 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. „Seit vergangener Woche beschäftigen wir einen Auszubildenden aus Eritrea, der als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist“, so Dirk Graumann (56). Von Willich aus werden beispielsweise alle Rohre für das gesamte Berliner Gasnetz verschickt. Das Unternehmen hatte bereits am Freitag mit 130 Gästen, unter ihnen Bürgermeister Josef Heyes, gefeiert.

Am Samstag ging es nostalgisch zu: Klaus Caris schmiedete in zeitgenössischer Arbeitskleidung wie anno dazumal. Bei Florian alias Rolf Flören aus Mönchengladbach konnte man den Hochrad-Führerschein machen, Kinder begeisterten sich für nostalgische Seifenkisten, Dreiräder und Tretroller aus Holz, ein mit Dampfkraft angetriebenes Karussell schnaufte. Das Dortmunder Puppentheater unterhielt Kinder im Stil von einst.