Streit in der Zelle eskaliert
Gericht: Ein 42-jähriger Strafgefangener war wegen eines Würge-Angriffs angeklagt. Er wurde am Dienstag freigesprochen.
Willich. Der eine Häftling soll den anderen gewürgt haben, weil dieser ihn "psychisch fertig gemacht" habe. Der angeblich Gewürgte sagt, er sei "am Ende seiner Kräfte" und will in eine Psychiatrie eingeliefert werden: An Dramatik fehlte es dem Prozess gestern vor dem Krefelder Amtsgericht nicht.
Just am ersten Weihnachtstag des vergangenen Jahres soll der im Anrather Gefängnis inhaftierte Mönchengladbacher Harald L.* (42) seinen Mithäftling Sascha A.* (37) in der gemeinsamen Zelle gewürgt haben. Die Anklage lautete auf Körperverletzung. Doch der Prozess wurde wegen geringer Schuld eingestellt. Dabei hatte der Angeklagte kurz nach der Tat zugegeben, Sascha A. gewürgt zu haben.
Aber dieses Geständnis des Mönchengladbachers durfte nicht verwendet werden: "Der Angeklagte hätte vor seiner Befragung belehrt werden müssen", sagte die Richterin. Das war nicht geschehen. Im gestrigen Prozess machte der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Jedoch sagten sein ehemaliger Mithäftling und der damalige Schichtleiter als Zeugen aus. Der JVA-Beamte gab an, keine Würgespuren am Hals von Sascha A. gesehen zu haben.
Auch Sascha A. entlastete Harald L., indem er seine frühere Aussage, gewürgt worden zu sein, revidierte. Während A. aussagte, saß der Angeklagte - an den Füßen gefesselt - mit im Gerichtssaal.
A. beschrieb die Stimmung zu Weihnachten als angespannt: "Man hatte uns einfach zusammen in eine Zelle gesteckt. Wir kannten uns nicht und waren auch nicht auf einer Wellenlänge." Da habe sich viel Frust aufgestaut.
A. war im Ermittlungsverfahren zunächst selbst als Beschuldigter vernommen worden: "Die JVA zeigt immer beide Beteiligten an", sagte A. dazu. Außerdem habe der Angeklagte L. ihn beschuldigt, dass er ihn "psychisch fertig gemacht" habe.
Konkret sei L. sauer geworden, weil er ihn mit einer Bemerkung zu seinen Essgewohnheiten provoziert habe. L. habe dann versucht, ihn zu würgen: "Er hat es aber nicht geschafft, das war nichts", fügte A. hinzu. Er habe seine Hand noch nicht mal gespürt, sie habe seinen Hals bloß "gestreift". Deshalb sei er auch nicht daran interessiert, dass L. bestraft werde: "Die Sache ist für mich erledigt."
A. betonte, viel wichtiger als der Prozess sei es ihm, auf seine Lage aufmerksam zu machen: "Ich habe seit einer Woche nichts gegessen, habe starke Krämpfe und darum gebeten, dass ich in die Psychiatrie komme", sagte der Zeuge: "Aber Niemanden scheint das wirklich zu interessieren."
Er werde nur mit Tabletten vollgestopft und von einer Vierer-Zelle zur nächsten gereicht. "Ich habe das Gefühl, ich mach’ das nicht mehr lange." Die Richterin gab seinen Appell an den JVA-Beamten weiter, mit der Bitte, dem nachzugehen.
Nach der Einstellung des Prozesses monierte der Anwalt des Mönchengladbachers, dass sein Mandant Fußschellen tragen musste: "War das wirklich notwendig?", fragte er. Harald L. sei schließlich nicht als verhaltensauffällig bekannt.
(*Namen von der Redaktion geändert)