Corona-Krise Tönisvorst: Berührende Briefe an Senioren

St. Tönis · In Zeiten des Besuchsverbots schreiben Kinder Botschaften für Bewohner und das Pflegepersonal.

 Die Familie von Ben, neun Jahre alt, hat den Brief ans Seniorenheim in St. Tönis geschickt – mit einem Herzens- und Schmetterlingsgruß des Jungen.

Die Familie von Ben, neun Jahre alt, hat den Brief ans Seniorenheim in St. Tönis geschickt – mit einem Herzens- und Schmetterlingsgruß des Jungen.

Foto: WZ/Seniorenheim

Kein Kuss zur Begrüßung. Keine Umarmung. Kein Besuch zur Kaffee- und Teezeit. Nicht einmal engste Familienangehörige dürfen zurzeit ihre Eltern, Großeltern, Geschwister oder Ehepartner in Seniorenheimen besuchen. Persönliche Kontakte sind unterbunden. Die betagten, eventuell vorerkrankten Menschen werden abgeschirmt. Sie sollen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt werden.

Ein Besuchsverbot gilt auch im Haus der Alexianer an der Gelderner Straße. Behördlich verordnet seit dem 23. März. In dem St. Töniser Seniorenhaus melden sich die Angehörigen seitdem telefonisch in den Wohnbereichen. Zwischen 10.30 und 11.30 Uhr erfahren sie vormittags von den Fachkräften, wie es ihren Lieben geht.

Montags bis donnerstags haben sie nachmittags eine Stunde, in der sie persönliche Dinge, Briefe und kleine Aufmerksamkeiten für die 157 Bewohner am Gebäude abgegeben können. Sich sehen, sich von Angesicht zu Angesicht sprechen, sich berühren – diese Nähe ist tabu.

Das ist eine emotional belastende Situation. Auch für das Pflegepersonal. Das sagt Jutta Hartmann, Leiterin Seniorenhilfe im Alexianer-Seniorenheim, die trotzdem nach zwei Wochen aus ihrer Sicht festhält: „Die Stimmung im Haus ist gut.“

Jeden Tag gebe es Musik. „Freude ist da.“ Eine Bewohnerin beispielsweise setze sich täglich ans Klavier und spiele für das gesamte Haus. Für ihre Mitbewohner, die ihre Zimmer aus Vorsichtsmaßnahme zurzeit nicht verlassen sollen.

Jutta Hartmann informiert während der Zeit des Besuchsverbots Angehörige und Betreuer per Rundbrief darüber, wie es den „uns anvertrauten Menschen, Bewohnern und dem Pflegepersonal in unserer Einrichtung geht“. Vor Ostern geht ihr nächstes Schreiben in die Post.

Bewohner bleiben zurzeit
auf ihren Zimmern

Seitens der Behörden seien Auflagen ausgesprochen worden, die das Alltagsleben in den Wohnbereichen „zurzeit sehr einschränken“. Auf übergreifende Veranstaltungen müsse verzichten werden. Die Bewohner werden auf ihren Zimmern versorgt und umsorgt. „Unsere Mitarbeiter wecken in vielen Gesprächen Verständnis für die Maßnahmen.“

Im Gespräch mit der WZ fügt Jutta Hartmann hinzu: „Es gibt keine Einschränkungen in der Pflege. Wir geben alles.“ Die Personaldecke, sagt sie, sei noch ganz gut. Das läge auch an der hohen Motivation der Mitarbeiter, die „wahnsinnig viel arbeiten“.

Vor allem für demenziell veränderte Menschen seien die aktuellen Veränderungen schwierig zu verstehen. Das seien etwa 60 Prozent der Bewohner. Das Personal kümmere sich besonders um sie.

„Die jüngste Blumenaktion von Floristin Hermes hat sie sehr erfreut“, erzählt Jutta Hartmann. Zuwendung, die ankommt. Auch Hartmann hatte Angehörige bereits aufgefordert: „Helfen Sie uns, diese belastende Zeit gemeinsam anzugehen – halten Sie den Kontakt zu Ihren Angehörigen per Telefon, schreiben Sie einen Brief.“

Wünsche zu Glück und Geborgenheit in der Corona-Zeit

Gerührt sind alle im Haus von einer Aktion von Kindern und Teenagern aus St. Tönis. Sie schreiben, sagt Jutta Hartmann, „motivierende Briefe an unsere Bewohner“. Ihre Schreiben und Bilder würden kopiert und an die Bewohner weitergeleitet. Ein Brief ist von Ben. Seine Familie schrieb an die Bewohner und das Pflegepersonal: „Zur Zeit haben alle eine schwere Zeit. Was uns gerade am meisten fehlt, sind unsere gewohnten Kontakte und Geborgenheit mit Berührungen.“ Ben, neun Jahre alt, habe einen von Herzen kommenden Gruß senden wollen. Es ist eine Zeichnung mit Schmetterling und Kleeblatt geworden, versehen mit den Worten: „Ich wünsche Euch Glück und Geborgenheit.“

„Das sind ganz entzückende Briefe und Bilder“, sagt Hartmann, die auch sie stärkten. Im Umgang mit der Angst der Angehörigen und deren Traurigkeit. Denn die ist ganz nah zu spüren.