Vertragsunterzeichnung Tönisvorster Hilfe zieht bald um
St. Tönis. · Der SV St. Tönis holt die Ausgabestelle für Lebensmittel 2019 neben sein Vereinsheim.
Als Jürgen Beyer und Heinz Dahmen für die Tönisvorster Hilfe und Helmut Thommessen und Heinz-Gerd Stroecks als Vertreter des Spielvereins St. Tönis zum Kugelschreiber greifen, um den gemeinsam abgestimmten Pachtvertrag zu unterzeichnen, kommen Kirsten Pülmanns die Tränen. „Endlich! Ich habe schon nicht mehr daran geglaubt.“ Sie tupft sich zwar mit einem Taschentuch die Augen trocken, aber sie lächelt.
Ein Schulterklopfen kommt von ihren Sitznachbarinnen, die sich wie Kirsten Pülmanns seit Jahren in der Lebensmittelausgabe an Bedürftige in Tönisvorst engagieren. „Wir freuen uns ohne Tränen.“
Jürgen Beyer: „Unsere Wanderjahre sind vorbei“
Dieser 7. Dezember 2018 ist ein ersehnter, ein Wunsch-erfüllender Etappen-Tag für den Verein Tönisvorster Hilfe. Vorsitzender Jürgen Beyer empfindet ihn so: „Unsere Wanderjahre sind vorbei.“
Der SV St. Tönis holt den Verein als künftigen Nachbarn an und in sein Vereinshaus, überlässt der Hilfe einen alten Container und außerdem eine Stellplatzfläche auf dem selbst von der Stadt gepachteten Gelände. Groß genug, um weitere Container anzubauen.
In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres sollen überdachte 186 Quadratmeter nutzbar sein – für Küche, Lager und Ausgabebereich der Tönisvorster Hilfe. Alles an einem Ort, nicht mehr auf zwei oder drei Standorte verteilt. Mit ausreichend Parkplätzen und der Bürgerbus-Haltestelle in der Nähe. Jürgen Beyer ist seine Freude und Erleichterung anzusehen.
„Es hat lange gedauert, eine Heimstatt zu finden“, sagt er und erinnert an einen ersten Antrag an Bürgermeister Thomas Goßen im Jahr 2012, an den noch weiterhin genutzten Ausgabestützpunkt Marienheim, an beengte Lebensmittelpack-Situationen am Kirchplatz.
Nach vielen Gesprächen mit der Verwaltung, von der er sich insgesamt deutlich mehr Unterstützung erhofft hätte, betont Beyer, folgte 2016 ein zweiter Anlauf für einen Containerstellplatz. Der Antrag verlief im Sande.
Dann kam das erneuerte Angebot des SV St. Tönis. Beyer und Dahmen schlugen ein. Und sind nun voller Tatendrang. „Wir wollen schnellstens mit der Arbeit beginnen.“ Davon steht genug an.
Der eine alte, noch wenig einladende Container des SV St. Tönis muss zunächst abgebaut und eine neue Unterbau-Konstruktion mit neuen Fundamenten und Versorgungsleitungen entstehen. Die zwei neuwertigen Container, die zurzeit an der Stadtgrenze zu Krefeld als Lagerstätte stehen, müssen zur Gelderner Straße gebracht und miteinander verbunden werden.
Der Bauantrag soll noch 2018 an den Kreis adressiert werden, damit dort kurzfristig grünes Licht gegeben werden kann. Kämmerin Nicole Waßen und Jörg Friedenberg von der Verwaltung haben ihre Unterstützung dahingehend angeboten, die Genehmigungsbehörde von der Dringlichkeit des Bauvorhabens zu überzeugen.
„Für mich ward ihr immer auf der Flucht“, sagt Heinz-Gerd Stroecks, beim Spielverein für die Finanzen zuständig, zu Jürgen Beyer und schiebt hinterher: „Ich seid uns herzlich willkommen.“ Eine Pacht erhebt der Spielverein nicht. Nicht einmal einen Euro. Sogar tatkräftige Mithilfe von Sportlern wird angeboten.
Stroecks ist überzeugt: „In Tönisvorst gibt es Not hinter vielen verschlossenen Türen.“ Er sieht einen großen Vorteil im neuen Standort am Sportplatz gegenüber dem zentraler gelegenen Marienheim: „Hier wird niemand begafft, wenn er ansteht.“
Dieses Schamgefühl ist offenbar eine nicht zu unterschätzende Größe. Auch Kirsten Pülmanns weiß von mindestens zwei Personen, dass sie deshalb nicht mehr die Tönisvorster Hilfe ansteuern, weil sie es psychisch nicht verkraften, zur Ausgabe zu kommen, überhaupt Hilfe anzunehmen und sie zuweilen das Gedränge nicht ertragen. „Die Wahrung der Anonymität ist so wichtig.“
Als die Tönisvorster Hilfe 2011 ihre Lebensmittelausgabe startete, waren laut Jürgen Beyer „40 Köpfe zu versorgen“. In Spitzenzeiten der Jahre 2015 und 2016 waren es 350, weil auch mehr Flüchtlinge die Hilfe annahmen. Heute hat sich die Zahl auf 200 bis 250 eingependelt. in den gut sieben Jahren hat die Hilfe insgesamt 27 850 Lebensmittelportionen ausgeteilt. Jürgen Beyer: „Ich bin sicher, viele weitere werden, wenn wir am hier am neuen Standort sind, ihre Scham ablegen und zu uns kommen. Unser Anliegen ist es, ein Zubrot als Unterstützung für zwei bis drei Tage im Monat zu geben und die Haushaltskasse zu entlasten.“ Dafür ist es so wichtig, genügend Lebensmittel vorrätig zu haben. Denn, so Beyer: „Der Letzte, der hier am Ausgabetag raus geht, soll auch immer etwas bekommen.“ In der zweiten Jahreshälfte 2019 soll das für das Container-Domizil an der Gelderner Straße 73 gelten.