In einem Vorstellungs-Video sagen Sie, dass Sie „glücklich“ sind, mit Ihrer Familie in Willich leben zu können. „Willich ist noch immer eine wunderbare Stadt.“ Was ist so wunderbar?
Bürgermeisterwahl 2020 in Willich Dietmar Winkels (SPD): „Bildung muss kostenfrei sein“
Willich · Im Herbst 2019 haben Willichs Sozialdemokraten Dietmar Winkels als ihren Bürgermeister-Kandidaten vorgestellt. Eine plakative Logo-Kampagne begleitet den kommunikativen Wahlkampf des 66-Jährigen.
. An fremden Haustüren zu klingeln, sich in gebotener räumlicher Distanz und trotzdem nahbar als der SPD-Bürgermeister-Kandidat für die Stadt Willlich vorzustellen und dann mit jeder Reaktion umgehen zu können, das bereitet ihm keine Probleme. Dietmar Winkels, 66, ist der Typ unaufdringlich, aber Menschen zugewandt. Einer, der es wohl auch nicht lange krumm nähme, wenn ihm eine gerade geöffnete Tür gleich wieder vor der Nase zugeschlagen würde.
Tatsächlich erlebt Winkels einen kommunikativen Wahlkampf – wo immer der auffällige schwarze Scherenschnitt aus dem Wahlplakat „heraus tritt“ und live und leibhaftig ansprechbar wird.
Was will er als Bürgermeister für Willich in Willich erreichen? Ein Gespräch über Kita, Klima und einen Comic-Helden.
Dietmar Winkels: Wir sind 1992/93 hierher gezogen. Das Baugebiet Alperheide war damals ausgeschrieben. Wir zogen von Krefeld-Fichtenhain nach Willich, hatten schon einige Kontakte über unsere Kinder hierher. Der Umzug fühlte sich dadurch nicht wie ein kompletter Neuanfang an. Wir haben Willich weiter schätzen gelernt, meine Frau und ich. Es ist alles vorhanden. Die Rahmenbedingungen stimmen: Kitas, Schulen, Vereine... Die Kinder gingen aufs St. Bernhard. Auch darüber haben wir viele Leute kennengelernt. Wir wohnen gerne in Willich und fühlen uns wohl.
Gute Ausgangslage also. Trotzdem sagen Sie, „die größten Errungenschaften dürfen nicht hinter uns liegen“. Ihre wichtigste Vision in Ihrem politischen Bestreben ist die Erziehung und Bildung der Kinder. Was fordern Sie demnach für die jüngsten Willicher?
Winkels: Wir fordern den Kitaplatz für jedes Kind. Dem Rechtsanspruch ist nicht leicht nachzukommen. Aber der Bau neuer Kitas wird das auffangen. Wir haben alle Schulformen vor Ort. Das ist sehr entscheidend. Die Kernforderung der SPD, die ich auch seit langem vertrete, lautet: Bildung muss kostenfrei sein. Für jeden. Von der Kita bis zum Studium. Familien nehmen diese Forderung wahr. Und ich befürworte in dem Zusammenhang auch „gleiches Recht für alle“, also auch für diejenigen, die mehr als 140 000 Euro Jahresgehalt haben. Bildung darf grundsätzlich nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig sein. Willich hat da einen ersten Schritt gemacht und die beitragsfreie Kita bis zu einem 48 000-Euro-Jahreseinkommen festgelegt. Wir von der SPD fordern noch mehr.
„Wohnen darf kein Luxus sein.“ Das ist auch ein Statement von Ihnen. Wie bewerten Sie unter der Voraussetzung die Pläne für die Katharinenhöfe auf dem Innenstadt-Grundstück an der Bahnstraße (120 Wohneinheiten)? Geht das neue Bauen am Bedarf der Willicher eigentlich vorbei? Oder hat es für Alt-Willich geradezu die richtige Magnet-Funktion? Welche neuen Wohnkonzepte wollen Sie realisieren?
Winkels: 120 Wohneinheiten, das ist eine Menge. Wir haben im Sozialausschuss gefordert, dort jede Form des Wohnens anzubieten, von der Zwei- bis zur Vier-Zimmer-Wohnung, barrierefrei – und bezahlbar. Das ist dem Investor auch deutlich gemacht worden. Aber die Katharinenhöfe sind ja nur ein Teil. Als SPD stimmen wir nur noch Bebauungsplänen zu mit mindestens 50 Prozent Geschoss-Wohnungsbau. Nur Einfamilienhäuser, auf Grundstücken mit 600, 700 Quadratmetern, das geht einfach nicht mehr. Da werden wir nicht mehr zustimmen. Vor allem ältere Menschen, die allein leben und denen das Haus zu groß geworden ist, suchen Wohnungen. Ein Gespräch mit Lukas Siebenkotten, dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes, hat mir gezeigt: Es ist überall das gleiche Problem. Sanierte Wohnungen dürfen nicht zu teuer sein. Auch modernisierter Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Die Frage ist doch auch: Wohin wollen wir in der Stadt Willich, Richtung 60 000, 70 000 Einwohner? Die Experten sind sich da uneinig: Wachsen? Oder doch den dörflichen Charakter in und zwischen den Stadtteilen erhalten? Ein Zusammenwachsen würde zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen gehen.
Sie wollen neue Freizeitmöglichkeiten schaffen. Welche?
Winkels: Da nenne ich als ein Beispiel den Feierabendmarkt, der in Alt-Willich sehr gut angenommen wurde. Leider ist er durch Corona zurzeit nicht machbar, aber der Markt hat zu einer weiteren Belebung der Innenstadt beigetragen. Das Konzept war sehr gut. Das sollten wir unbedingt wiederbeleben, wenn Corona vorbei ist.
Und an welche Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche denken Sie?
Winkels: Vereinsmäßig ist Willich sehr gut abgedeckt. Immer in der Diskussion ist die Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen. Ihnen zugewiesene Plätze sind für sie oft uninteressant. Vielleicht sollte man ein Kino wiederbeleben, als Teil der Kulturszene. Mal sehen. Oder temporär – wie schon einmal auf dem Kaiserplatz – ein Beachvolleyballfeld auf dem Willicher Markt einrichten. Da muss man das Gespräch und Sponsoren suchen.
Sie wollen Kultur und Brauchtum stärken. Was kann man dazu konkret von Ihnen und von der SPD erwarten?
Winkels: Die finanzielle Unterstützung sollte nicht weniger werden. Vereine benötigen vor allem durch Corona weiter Hilfe. Auch für die Gastronomie und Veranstalter sollte die Stadt Geld in die Hand nehmen, einen entsprechenden Antrag habe ich gestellt. Wenn die Corona-Krise andauert, werden wir Gastronomen verlieren. Ihre Fixkosten laufen mit Pacht und Miete ja weiter.
Wie oft werden Sie am Wahlstand in der Kommunikation mit dem Bürger auf ein Ärztehaus für Willich angesprochen. Was soll es an Versorgung abdecken, wo soll es hin?
Winkels: Ich setze mich dafür ein, dass die Stadt für ein voll eingerichtetes Ärztehaus sorgt. Im Gegenzug verpflichten sich die Ärzte für zehn oder 15 Jahre in Willich zu arbeiten. Um die hausärztliche Versorgung in der Stadt muss man sich angesichts des Alters vieler Ärzte auch Sorgen machen. Da müssen wir etwas tun. Eventuell auch Headhunter einsetzen. Und dann ist da noch die Frage, wie die kassenärztliche Vereinigung das sieht. Unser Notdienst ist gut abgedeckt, die Rettungswache in Anrath wird nicht zugemacht. Die Fachärzte-Konzentration im Umfeld ist gut, in den Krankenhäusern in Viersen, Krefeld und Neuwerk. Die Zahl derer, die mich auf das Katharinen-Hospital ansprechen, geht etwas nach unten. Zum Krankenhaus erkläre ich den Bürgern: Der Politik waren da die Hände gebunden.
Umweltschutz sei nicht nur eine Sache der jungen Leute. Was tun Sie als Bürger und als Bürgermeister, um Willich als global nachhaltige Kommune, klimaneutral bis 2030, noch besser zu machen?
Winkels: Persönlich? Wir haben eine supermoderne Heizung eingebaut. Ich versuche so wenig wie möglich mit dem Auto zu fahren, stattdessen das Rad zu nehmen. Müllvermeidung ist ein großes Thema bei uns. Wir kaufen im nahen Umfeld. Ich muss nicht nach Mallorca fliegen. Wir fahren stattdessen mit dem Wohnmobil in den Urlaub. Für Willich möchte ich die Klima-nachhaltigen Strategien weiter verfolgen. Wir müssen noch viele Teile des Konzepts nacharbeiten. Ich bin für eine Wasserstoff-Tankstelle. Zur E-Mobilität habe ich eine gespaltene Meinung. Die Herstellung der E-Autos ist umweltschädigend. Ich halte die E-Mobilität für eine Übergangsform, aber nicht für die Zukunft.
Der Wahlkampf 2020 kommt am Fahrrad nicht vorbei. Sie wollen Willich zur fahrradfreundlichsten Stadt machen. Können sich Münster, Kopenhagen oder Utrecht jetzt warm anziehen?
Winkels (lacht): Man muss ein Ziel haben. Wir sind für die Forderung nach der fahrradfreundlichsten Stadt viel angegriffen worden. Wir müssen ins Bewusstsein bekommen, dass das Auto zweite Wahl ist. Wir sollten unser Fahrradwegenetz ansehen und alles, das defekt ist, fehlt, gefährlich ist oder im Nichts endet, überarbeiten. Schwächen erkennen und abstellen. In den Niederlanden habe ich das Gefühl, dass das Autofahren schon nach hinten gesetzt worden ist. In Willich nicht. Radfahrer, Fußgänger, eben alle Nicht-Autofahrer, sollten bevorzugt behandelt werden.
Wir schlagen trotzdem den Bogen zur Mobilität mit dem Pkw: Wo sehen sie Schwächen (Stichwort Zufahrt Autobahnauffahrt Münchheide) und weitere Verkehrsprobleme durch Überlastung der Strecken in der Stadt und wie wollen Sie sie abstellen?
Winkels: Ich habe ein Gespräch mit Felix Heinrichs, dem SPD-OB-Kandidaten von Mönchengladbach, über die Verlängerung der S 28 geführt. Wir sind darüber überein gekommen, dass wir, wenn wir ins Bürgermeisteramt kommen, alle Beteiligten an einen Tisch holen. Ich sehe die Einrichtung der Ersatzbusstrecke skeptisch. Die bleibt doch keine Übergangslösung. Die S 28 würde einen Teil des Autoverkehrs von der A52 aufnehmen. Was Münchheide angeht, müssen wir die Zuflüsse leiten. Man muss motivieren, Fahrgemeinschaften zu bilden, dazu Park-and-Ride-Plätze einrichten. Die Erfahrungen mit Homeoffice sind vielleicht auch eine Chance zur Reduzierung des Autoverkehrs.
Wir müssen auf Ihren Wahlkampf zu sprechen kommen. Sie sind der Mann mit „Bart, Pfeife, Zopf, Stimme. Alles echt!“ Gefällt Ihnen der Slogan?
Winkels: Ja!
Wie viel SPD-Parteichef Lukas Maaßen steckt in der SPD-Winkels-Kampagne?
Winkels: Ein Team von fünf Leuten steckt dahinter. Lukas Maaßen hat einen sowohl inhaltlich als auch ausführend hohen Anteil.
Überfordert der in Willich teilweise massiv geführte Wahlkampf 2020 die Bürger? Was hören Sie dazu?
Winkels: Nein. Ich erlebe keine Ansprache, dass die Bürger sich überfrachtet fühlen. Viele achten auf die Wahlplakate. Wir als SPD verzichten übrigens auf schwer recyclebare Hohlkammerplakate und nutzen nur bereits vorhandene Flächen für Papierplakate.
Und nun gibt es Winkels auch als Comic-Held: „Dietmar und Spencer.“ Ich hatte gehofft, dass Sie mir einen Comic mitbringen.
Winkels: Das habe ich vergessen. Ich hole das nach.
Zu dem Comic schreiben Sie: „Ihr entscheidet am 13. September, wie die Geschichte ausgeht.“ Wie viel Prozent der Stimmen holen Sie?
Winkels: Ich würde mich freuen, wenn ich mit einem Mitbewerber in die Stichwahl käme.
Glauben Sie an die Stichwahl?
Winkels: Ja!
Und was tun Sie als erstes, wenn Sie als Bürgermeister-Kandidat gewinnen? Sich selber kneifen?
Winkels: Nein. Das würde in den ersten Tagen erst einmal viele Formalien bedeuten. Aber ich würde für einen Tag 20, 30 Bürger einladen und mit ihnen die gemeinsame Freude erleben wollen.