Tönisvorst „Wir werden keinen wegschicken“

In Notaufnahmen soll seit Anfang des Monats binnen Minuten entschieden werden, wer wirklich dringend Hilfe braucht. Die Alexianer in Tönisvorst sehen das kritisch.

Foto: Kurt Lübke

Tönisvorst. Notfall oder nicht — jeder, der bislang eine Notaufnahme aufsucht, wird auch ärztlich untersucht. Das soll sich nun ändern. Seit dem 1. April sollen im Rahmen der Reform des Notdiensthonorars Notärzte nun schnell entscheiden, ob es sich um einen Notfall handelt oder nicht und ob der Wartende auch umgehend behandelt wird.

Für diesen Kurz-Check erhalten die Kliniken zukünftig eine sogenannte „Abklärungspauschale“ in Höhe von 4,74 Euro pro Patient, was in etwa einer Diagnose-Zeit von zwei Minuten entspricht.

Weniger dringende Fälle sollen dann zu einem niedergelassenen Arzt geschickt und so die oft überfüllten Notaufnahmen entlastet werden. Mit dieser neuen Zwei-Minuten- Regelung obliegt jetzt dem Mediziner in der Notfallambulanz die Entscheidung und Verantwortung, ohne spezielle Untersuchung den Patienten zu verweisen.

Was bedeutet das für Patienten in Tönisvorst? Die WZ hat bei den Alexianern in Krefeld nachgefragt, die auch das Haus an der Hospitalstraße in St. Tönis betreiben. „In zwei Minuten kann nicht entschieden werden, ob ein Patient ambulant oder stationär behandelt werden muss. Wir sind verpflichtet jeden Patienten, der in die Notaufnahme kommt, ordnungsgemäß zu befragen und gründlich zu untersuchen“, sagt Dr. Martin Dichgans, Leitender Arzt der Interdisziplinären Notaufnahme am Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld. Und er fügt hinzu: Dies gelte auch für die Notaufnahme des Krankenhauses in Tönisvorst. „Wir werden niemanden wegschicken.“

Michael Wilke, Regionalgeschäftsführer der Alexianer Region Krefeld, zu der die Alexianer Tönisvorst GmbH, kann die Aussage seines leitenden Arztes nur bestätigen. Er sagt: „Als Gesundheitsanbieter haben wir unseren Patienten gegenüber eine hohe Verantwortung. Die Patienten vertrauen uns — und das soll auch so bleiben.“

Allein ältere Menschen mit akuten Beschwerden benötigten in der Regel länger als zwei Minuten, um ihren gefühlten Krankheitszustand zu beschreiben. Sie seien oft aufgeregt, müssten erst einmal beruhigt werden, so der Chef der Krankenhaus-Region. „Diese Zeit müssen und wollen wir uns nehmen. Vor diesem Hintergrund werden wir die geplante Reform kritisch betrachten, aber weiterhin alles Notwendige unternehmen im Sinne unserer Patienten.“

Mit dieser Einstellung ist man am Niederrhein nicht alleine. Auch große medizinische Einrichtungen sehen den neuen Kurzcheck kritisch, wie das Beispiel der Uniklinik Düsseldorf zeigt: Auch hier will man die Patienten nicht vergraulen und weist bislang niemanden in den Notaufnahmen ab, wie Uni-Sprecherin Susanne Dopheide versichert.

„Die Umsetzung der Abklärungspauschale wird derzeit geprüft. Wir beurteilen sie kritisch, denn wichtige Fragen in diesem Zusammenhang hinsichtlich des Risikos für Arzt und Patient sind bislang nicht geklärt“, so Susanne Dopheide weiter.