Wo Verspätungen meistbietend versteigert wurden

Vom Versuch, in die Sächsische Schweiz zu kommen, und immer wieder Probleme mit den Klimaanlagen.

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Tönisvorst. Am 26. Juli 2012 bin ich nach Oberhäslich gefahren, das ist ein kleiner Ort im Kreis Sächsische Schweiz — Osterzgebirge. Dazu musste man von Anrath nach Duisburg und weiter über Berlin nach Dresden und von dort den Bus nehmen. Schon in Hamm bekam ich einen Vorgeschmack darauf, welche Schikanen die Deutsche Bahn heute so drauf hat.

Wir mussten 20 Minuten auf den zweiten Zugteil warten, der mit unserem ICE zusammengekoppelt wird. Nicht so tragisch, da ich genügend Umsteigezeit in Berlin-Spandau hatte. Der Zug nach Dresden war übervoll, von den noch freien Plätzen wurden wir vertrieben, denn die waren reserviert, aber die Reservierungen waren nicht angezeigt, wie das bei diesem „Unternehmen Zukunft“ häufiger vorkommt.

Ein Mitopfer und ich nahmen also auf den Klappsitzen im Gang Platz. Jedes Mal die gleiche Prozedur, wenn Fahrgäste ins Bordbistro oder zurück wollten: Aufstehen, Leute vorbeilassen, wieder hinsetzen (so viele Kniebeugen habe ich im letzten Jahr nicht gemacht, aber die Bahn macht bekanntlich mobil). Kommentar einiger „Durchreisender“: „Boah, ist das heiß bei euch.“ Unser Wagen war der Einzige mit defekter Klimaanlage in diesem Zug.

Egal, ich habe die Fahrt nach Dresden überlebt, bin mit dem Bus nach Oberhäslich und wieder zurück gefahren. Bei der Rückfahrt nach Dresden hatte ich erst Bedenken, ob der Zug nach Berlin auch pünktlich ist, schließlich kommt er von weit her. Aber der Zug stand schon auf dem richtigen Gleis und wartete auf seine Abfahrt. Ich fand sogar noch einen Sitzplatz in einem Wagen, der außerhalb der Bahnhofsüberdachung stand und schwitzte wie alle anderen Fahrgäste vor mich hin.

Dann kam eine Durchsage: „Liebe Fahrgäste, beachten Sie bitte folgenden Hinweis: Wir können noch nicht losfahren, da unsere Lok defekt ist und wir auf eine Ersatzlok von einem Zug aus Berlin warten müssen.“ Mit 20 Minuten Verspätung ging es ab nach Berlin. Aber die Deutsche Bahn wäre nicht die Deutsche Bahn, wenn sie das nicht noch toppen könnte: In Berlin wurden die Verspätungen des Zugs nach Duisburg versteigert: „5 Minuten später“, „25 Minuten später“, „35 Minuten später“, „45 Minuten später“. Doch dann kam er, ein richtiger Zug zum Anfassen und Einsteigen.

Aber auch hier gab’s wieder wieder eine Unheil versprechende Ansage: „Liebe Fahrgäste, beachten Sie bitte folgenden Hinweis: Wegen eines Oberleitungsschadens zwischen Wolfsburg und Spandau werden wir über Magdeburg und Braunschweig umgeleitet.“ Ich erreichte Duisburg mit 150 Minuten Verspätung. Und alle Anschlusszüge an diesem Abend waren natürlich weg. Das hieß: eine Nacht auf dem Duisburger Hauptbahnhof verbringen.

Dann aber doch eine kleine Wende zum Positiven: Der Zugchef hatte ein Einsehen und stellte mir eine Bestätigung aus, die ich in Düsseldorf am Informationsschalter vorzeigte. Ich bekam einen Taxigutschein und konnte von Düsseldorf auf Kosten der Bahn nach Anrath fahren. Ich brauchte nicht mal in Vorleistung treten und das Geld mit einem Antrag von der Bahn zurückfordern. „Wat glaubst du, wie viele Fahrten wir mit der Deutschen Bahn abrechnen, die holen das Geld mit der nächsten Fahrpreiserhöhung wieder rein. Also, komm gut nach Hause“ — so verabschiedete mich der Taxifahrer.

Kommentar meiner Skatschwester Gisela: „Warum machst du dir solchen Stress, wenn du was Oberhässliches sehen willst. Geh ins Bad und schau in den Spiegel.“