Wunder werdennicht vollbracht

Andrea Gerstl bietet ein Anti-Aggressions-Training an. Zum dritten Mal war sie damit an der Hauptschule St. Tönis.

St. Tönis. Die Gemeinschaftshauptschule Kirchenfeld nutzte bereits zum dritten Mal das Angebot des Anti-Aggressionstrainings der evangelischen Jugend- und Familienhilfe Kaarst. Die WZ sprach mit Anti-Gewalt- und Deeskalationstrainerin Andrea Gerstl über das Projekt.

WZ: Wieso wird Ihre Arbeit immer mehr gefragt?

Gerstl: Die Gewaltbereitschaft an Schulen hat enorme Dimensionen angenommen. Teilweise kommt es zu regelrechten Schulstraftaten. Dazu gehören räuberische Erpressung und schwere Körperverletzung. Der verbale Austausch erfolgt über Beleidigungen, Schüler kommunizieren körperlich miteinander. Für Lehrer ist es schwierig, in einem solchen Klima zu unterrichten. Da bieten wir dieses Hilfsangebot an.

WZ: Warum kommt es zu einem solchen Anstieg von Gewalt?

Gerstl: Es ist ein generell gesellschaftliches Problem, dass die sozialen Kompetenzen abnehmen. Man spricht nicht mehr miteinander. Die Kinder verabreden sich zum Spielen und sitzen die ganze Zeit nebeneinander an zwei Spielkonsolen, ohne ein Wort zu wechseln. Das ist heute normal, aber so werden keine sozialen Fähigkeiten erlernt. Kommunikation und Sprache fehlen. Ganz schnell kommt Gewalt ins Spiel.

WZ: Was genau verbirgt sich hinter Ihrer Arbeit?

Gerstl: Wir versuchen ein stückweit, Schüler nachzusozialisieren. Ihnen zu helfen, das eigene Verhalten zu überprüfen. Sie erleben eine kritische Auseinandersetzung mit sich selbst, lernen Gesprächstrukturen und Sozialkompetenzen kennen. Wir vollbringen keine Wunder, sondern schaffen ein Stück Bewusstsein bei den Schülern.

WZ: Wie sieht dies praktisch aus?

Gerstl: In der Regel besuchen wir eine Schule über sechs bis acht Wochen einmal pro Woche für anderthalb Stunden. Zehn bis zwölf Schüler werden von zwei Mitarbeitern betreut. Der Leitfaden ist immer der Austausch und die Reflektion der Woche. Die Schüler lernen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Wir bauen Bewegungsübungen und Rollenspiele ein. Konfrontative Arbeit wird mit dem Heißen Stuhl geleistet. Hier erfährt ein jeder, wie es sich anfühlt, Opfer zu sein. Dazu stehen wir im engen Kontakt mit den Lehrern und bieten Besuche bei den Schülern an.

WZ: Was ist besonders wichtig?

Gerstl: Das frühe Ansetzen. Je früher man anfängt, Fehlstrukturen aufzubrechen, um so einfacher ist es, sie zu korrigieren. Hat sich ein Fehlverhalten richtig manifestiert, dann wird es schwieriger. Wir bilden unter anderem ein Bewusstsein für Regeln. Regeln sind in Ordnung. Es gibt einem Rahmen, in dem man sich bewegen kann. Wer ihn überschreitet muss die Konsequenzen tragen.

WZ: Sind Erfolge vorhanden?

Gerstl: Ja. Das erfahren wir durch die Schüler, aber auch durch Gespräche mit Lehrern.