75. Todestag Trümmerliteratur prangert den Schrecken des Krieges an
Düsseldorf · Vor 75 Jahren starb Wolfgang Borchert mit gerade einmal 26 Jahren. Mit Werken wie „Draußen vor der Tür“ gilt er als einer der bekanntesten Autoren der Trümmerliteratur.
„Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins: Sagt NEIN!“ Das schrieb Wolfgang Borchert in seinem Manifest „Dann gibt es nur eins!“. Es war sein letzter Text, den er mit 26 Jahren kurz vor seinem Tod im Jahr 1947, also zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, verfasste. Er lässt ahnen, wie tief das Grauen des Krieges saß. Anlässlich des 75. Todestags des Autors fand am Montagabend in der Düsseldorfer Zentralbibliothek eine Lesung statt. Der Programmkoordinator des Projekts „Respekt und Mut“, Volker Neupert, Klaus Peter Hommes von der Stadtbücherei und Katja Schlenker, Kuratorin beim Gerhard-Hauptmann-Haus, führten durch Borcherts Leben, das eng mit seinen Werken verschränkt ist. Er ist einer der bekanntesten Autoren der Trümmerliteratur, welche den Schrecken und die Sinnlosigkeit des Krieges anprangert.
1921 wurde Borchert in Hamburg geboren und begann schon mit 15 Jahren, Gedichte zu schreiben, die im Hamburger Anzeiger veröffentlicht wurden. Nach seiner Ausbildung als Schauspieler und der schönsten Zeit seines Lebens am Tourneetheater wurde er 1941 zum Kriegsdienst einberufen. Als Panzergrenadier litt er unter dem militärischen Drill und wurde zum Gegner der Diktatur. Seine Erlebnisse an der Front und in Gefängnissen verarbeitete er in Erzählungen wie „Die Hundeblume“ und „Unser kleiner Mozart“. Schon länger litt er immer wieder an Gelbfieber. Mit den Jahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, bis er 1947 ahnte, nicht mehr lange zu leben. Bis zu seinem Tod am 20. November schrieb er noch 22 weitere Geschichten und in nur acht Tagen das bekannte Drama „Draußen vor der Tür“. Einen Tag nach seinem Tod fand dessen Uraufführung in den Hamburger Kammerspielen statt. Inklusive des Nachlasses passt sein gesamtes Schaffen in ein kleines, dickes Buch. Borchert verfasste aber nicht nur Trümmerliteratur. 1946 schrieb er Liebesgedichte wie in „Laterne, Nacht und Sterne“ und die humorvolle Kurzgeschichte „Schischyphusch oder der Kellner meines Onkels“. Ein kleiner Junge erzählt hier, wie sein Onkel einen Kellner trifft. Beide weisen lediglich eine Gemeinsamkeit auf: Sie lispeln. Volker Neupert hatte beim Vorlesen des Textes seine Mühen, aus jedem „s“ ein „th“ zu machen und dabei noch verständlich zu bleiben.
Am Ende der Lesung stehen besonders die aktuellen Bezüge zum Krieg in Europa im Raum. Ein Dichter wie Wolfgang Borchert fehle im blutigen Kampf um die Ukraine, sagte Volker Neupert. Jemand, der schonungslos nach dem Bekenntnis der Wahrheit und der Entlarvung der Lüge drängt, wie Borcherts Verleger Bernhard Meyer-Marwitz einmal über den Autor sagte. Doch auch einen letzten Appell, das Gedicht „Versuch es“, regte zum Nachdenken an: „Stell dich mitten in den Regen, / glaub an seinen Tropfensegen / spinn dich in das Rauschen ein / und versuche, gut zu sein!“