Entscheidung in Leverkuen Eine Stadt zwischen Krieg und Karneval
Leverkusen · Der russische Einmarsch in die Ukraine hat auch den Leverkusener Jecken die Feierlaune verdorben. Doch nicht so ganz. Der Festausschuss hat beschlossen, die noch geplanten Veranstaltungen zu belassen. Unterdessen erstrahlt der Wasserturm in blau-gelb, den Farben der Ukraine. Rund 200 Teilnehmer demonstrierten gegen „Kriegstreiber“ Putin vor dem Rathaus.
Der Wasserturm erstrahlt in blau-gelb. Mit der Illumination des Leverkusener Wahrzeichens in den Landesfarben der Ukraine hat die Energieversorgung Leverkusen (EVL) ein weithin sichtbares Zeichen der Solidarität mit dem von einem russischen Angriffskrieg überzogenen Land gesetzt. Am Freitag kurz nach 18 Uhr setzten EVL-Techniker die nächtliche Beleuchtung in Gang.
„Kurzfristig und unter Berücksichtigung der sich schnell ändernden Nachrichtenlage müssen sich die Leverkusener Wärmekunden keine Gedanken um ihre Versorgung machen“, sagte Thomas Eimermacher, kaufmännischer Geschäftsführer der EVL. „Da wir derzeit noch L-Gas aus den Niederlanden beziehen, wird sich die Ukraine-Krise eher auf die Preise und nicht auf die Versorgung auswirken.“ Gas komme aus allen Himmelsrichtungen nach Deutschland. Hinzu komme eine sehr gute Gasspeicher-Infrastruktur in Deutschland sowie das sogenannte europäische Gas-Verbundnetz, das den innereuropäischen Gas-Austausch ermögliche. Aktuell komme auch verstärkt Flüssigerdgas via Großtanker aus den USA und aus Katar.
Eine Stadt hin und her gerissen zwischen der Sorge über den europäischen Krieg und dem lange so vermissten Karneval: Während Hitdorfer Jecke am Freitag kostümiert auf dem Fahrrad die Strecke des ausgefallenen Zugs nachfuhren, fanden sich etwa 200 Teilnehmer am späten Nachmittag am Rathaus zu einer Friedenskundgebung zusammen. Eingeladen hatte die Parteijugend von CDU, FDP, SPD und Grünen. In einem Aufruf wird Putins Angriffskrieg scharf verurteilt.
Oberbürgermeister Uwe Richrath gehörte zu den Rednern der Kundgebung. Wirtschaftssanktionen seien der einzige Weg, Putin Einhalt zu gebieten, auch wenn das spürbare Folgen auch für Leverkusen haben werde, sagte Richrath. In einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte der Stadtchef die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Leverkusen in Aussicht gestellt.
Veranstaltungen am
Wochenende finden statt
Michail B. kommt aus der Ukraine und bangt um seine Familie, die sich noch in der Heimat aufhält und den Kriegsfolgen unmittelbar ausgesetzt ist. „Es ist unmöglich, dass jemand einen Krieg beginnt, nur um seine politischen Ziele zu erreichen“, sagt er.
Ein Paar (29/33) aus Tschetschenien, das vor Putins Militärschlägen geflohen ist und seit zehn Jahren in Deutschland lebt, ist fassungslos. „Wir haben das vor zehn Jahren selbst erlebt“, sagt die Frau. Das Bombardement auf die Ukraine müsse sofort gestoppt werden.
„Das ist kein russischer Krieg, das ist ein Krieg Putins gegen die Demokratie“, sagt die Leverkusener Bundestagsabgeordnete Serap Güler (CDU). Die Ukraine sei zu einem Zufluchtsort für Menschen aus Russland und Belarus geworden, die für die Demokratie gekämpft hätten, sagt Gülers Parlamentskollegin, Nike Slawik von den Grünen.
Miriam Henn (37) aus Leverkusen hat sich in eine Friedensfahne gehüllt und wirkt bedrückt. „Ich hatte das Gefühl, irgendwas tun zu müssen“, sagt sie. „Es ist eine absolute Katastrophe, das jemend mitten in Europa einen Krieg beginnt.“
Der Festausschuss Leverkusener Karneval hatte am Donnerstagabend entschieden: Die für Samstag und Sonntag geplanten Veranstaltungen in der Opladener Brauchtumszone sollen doch stattfinden. Allerdings soll es auch ein Friedensgebet mit Stadtdechant Heinz-Peter Teller geben.
Der Kriegsausbruch in der Ukraine hatte Zweifel laut werden lassen, ob angesichts dieser Umstände organisierte Karnevalsfeiern noch angebracht sind. Die Kölner hatten einen im Stadion geplanten Rosenmontagszug abgesagt. „Wir lassen nicht die Kuh fliegen und werden angemessen feiern, sagte FLK-Präsident Thomas Lingenauber. Auch werde es selbstverständlich keine „Raketen“ geben. „Es geht uns um die ruhigen Töne.“ Der Ausschuss habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Doch habe es durchweg positive Signale aus den Vereinen gegeben, ebenso von der Stadtverwaltung nach Gesprächen mit Oberbürgermeister Uwe Richrath. „Karneval steht für ein friedliches und gewaltloses Miteinander“, betont er. Doch werde es niemanden geben, der da sorglos hineingehe. „Ich fühle mich wie ein Astronaut vor dem Start, ein solches Format unter solchen Umständen hat es noch nicht gegeben.“
Solidaritätsbekundungen mit den Kriegsopfern in der Ukraine gehen weiter. Am Samstag, 26. Februar, 18 Uhr wollen Gemeindemitglieder der Bielertkirche sich um den Berliner Platz versammeln und eine Menschenkette mit Kerzen bilden.