85-Jährige wird Schützenkönigin in Hermges
Hanny Eiermanns wurde Majestät, weil es sonst niemand aus der Bruderschaft sein wollte.
Früher war alles besser. Den Spruch hört man oft, wenn man im Brauchtum unterwegs ist. Da geben sich Karnevalisten und Schützen nicht viel. Überall wird sich beklagt. Über zu wenig Sponsoren, zu wenig junge Mitglieder und überhaupt. Neue Wege gehen? Einmal aus der Rolle fallen? Passiert eher selten. Hanny Eiermanns ist da anders. Sie trat vor 32 Jahren in die St.-Josef-Pfarrbruderschaft Hermges ein, in der sie schon seit 1978 ihren Mann begleitet hatte. Inzwischen ist sie 85 Jahre alt. Und zeigt den Jungen, dass Brauchtum Spaß macht: Hanny Eiermanns ist die Königin der Schützenbruderschaft in Hermges.
Moment mal. Bruderschaft und dann eine Frau als Majestät? Ja, das geht. Wenn auch selten und längst nicht überall. In manch einem Stadtteil mag man es da eher traditionell. Der Mann in der Uniform, die Frau beim Brötchen-Schmieren. „Ich bin erst die dritte Frau, die in Hermges Königin geworden ist“, erzählt Hanny Eiermanns. Und darauf ist sie stolz. Ihr Ehemann ist 2005 gestorben. Er war Oberst der St.-Josef-Pfarrbruderschaft, wollte aber eigentlich König werden. Das hat er nie geschafft.
Früher gab es mehr Kandidaten, wenn es zum Vogelschuss ans Gewehr ging. Heute ist das anders. Da möchte manchmal niemand das Amt haben. Wirklich verübeln kann man es der jungen Generation nicht. Oft wohnen die Mitglieder einer Bruderschaft nicht im Stadtteil, die Identifikation fehlt. Und dann ist da noch der Beruf. Nicht jeder Arbeitgeber hat für Brauchtum Verständnis. Von den Kosten des Amtes einmal abgesehen.
Das ist in Hermges nicht anders. Da wollte in diesem Jahr niemand auf den Holzvogel schießen, der da an der Stange hing. Also trat Hans-Peter Münten aus der Offiziersgruppe an. Nach 123 Schüssen war das hölzerne Tier erlegt. Aber wollte er König werden? Nein. Er übergab den Holzvogel Hanny Eiermanns. Dass sie in Gedenken an ihren Mann einmal Königin werden wollte, das wusste in der kleinen Pfarrbruderschaft jeder.
Und so entschieden die Frauen der Offiziersgruppe einfach spontan: Wir stellen das Königshaus. Hanny Eiermanns trägt das Silber. Die anderen Damen, immerhin fünf, machen die Ministerinnen. Das dürfte Rekord sein. Normalerweise hat ein Schützenkönig nur zwei Minister. Aber was ist schon normal? Andere Wege gehen und sich selber nicht so ernst nehmen, das ist angesagt. So lebt das Brauchtum weiter.
Ein völlig unbeschriebenes Blatt ist Hanny Eiermanns freilich nicht. In der Bruderschaft gehörte sie lange dem Vorstand an und führte 13 Jahre die Kasse. Auszeichnungen hat sie reichlich gesammelt. So trägt sie die Frauenauszeichnung in Silber, in Gold und auf Achatscheibe. Alles recht dekorativ. Das Königssilber ist aber etwas ganz anderes. Vor allen Dingen schwerer.
Hanny Eiermanns ist das, was man eine rüstige Rentnerin nennt. An allen Schützenfesttagen alle Umzüge zu Fuß bewältigen und dann auch noch das Königssilber um den Hals baumeln zu haben, ist dann aber doch zuviel des Guten. „Beim Schützenfest werde ich in einem Cabrio gefahren. Eine Kutsche möchte ich nicht“, sagt sie.
Natürlich steht Hanny Eiermanns nicht repräsentativ für die junge Brauchtumsgeneration. Doch sie macht Mut — und ist ein Vorbild. Dafür, dass es sich lohnt, einfach einmal spontan „Ja“ zu sagen.