Aufzucht Rehkitze: „Mama Doris“ hat Nachwuchs

Doris Kohnen zieht derzeit im heimischen Garten zwei Rehkitze auf, die von ihrer Mutter verstoßen wurden.

Mönchengladbach. Viel Schlaf bekommt Doris Kohnen derzeit nicht. Der Nachwuchs hat auch nachts Hunger. Dann steht die 45-Jährige auf und bereitet die Milch vor. So weit ist das nicht ungewöhnlich für eine junge Mutter. Dass Doris Kohnen dann allerdings mit dem Futter in den Garten geht, wo ein Bauwagen steht, und Fieplaute von sich gibt, ist jedoch alles andere als normal — und liegt daran, dass die Gladbacherin keinen zwei-, sondern vierbeinigen Nachwuchs hat.

Die Tierfreundin, die eigentlich schon Oma ist, bei Borussia Mönchengladbach arbeitet und eine Vorliebe für schwere Motorräder hat, zieht derzeit zwei Rehkitze auf. Es sind aber nicht die einzigen Tiere: Auf dem Grundstück am Rande des Hardter Waldes wohnen unter anderem auch Mini-Shetty-Hengst Goliath, Jack-Russell-Terrier Ambos und die beiden erwachsenen Rehe Polly und Ben.

„Das klingt nach Tiermessie“, sagt Doris Kohnen schmunzelnd. „Aber das bin ich nicht. Und eigentlich bin ich auch wie die Jungfrau zum Kinde dazu gekommen als wir hierhingezogen sind.“ Kohnens Mann ist Forstwirt — und plötzlich standen Leute vor der Tür, die ein Tier gefunden hatten.“

Es folgten Eichhörnchen, Kaninchen und vor drei Jahren mit Polly das erste Rehkitz. Mittlerweile wird die 45-Jährige von Tierärzten aus ganz Nordrhein-Westfalen angerufen, wenn ein Wildtier Hilfe benötigt. Der jüngste Nachwuchs im Hause Kohnen ist in Euskirchen auf die Welt gekommen. „Es ist eigentlich eine traurige Geschichte, die zeigt, wie unüberlegt Menschen oft handeln“, sagt die Gladbacherin.

„Eine Frau hat durch Zufall die Geburt im Wald beobachtet. Und anstatt einfach nur zuzuschauen und die Natur machen zu lassen, hat sie die beiden Kitze genommen, ins Auto geladen und zu einer Tierärztin gebracht. Sie wollte vermutlich nur helfen, aber es war wirklich das dümmste, was sie hätte machen können.“

Durch den Menschengeruch nimmt die Mutter ihren Nachwuchs nicht mehr an. „Tja — und dann klingelte mal wieder das Telefon bei mir. Und ich habe sofort ja gesagt.“

Anfangs wogen die beiden Bockkitze gerade einmal 1500 und 1600 Gramm. „Jetzt bringen sie schon einiges mehr auf die Waage“, freut sich die Ersatzmama, und auch sonst entwickeln sich die beiden sehr gut. Sechs bis acht Stunden, schätzt Kohnen, beträgt der tägliche Zeitaufwand für die Handaufzucht.

Da trifft es sich gut, dass die Bundesliga gerade in der Sommerpause ist. „Da habe ich immer Urlaub“, so die Hardterin, die bei Borussia für Bewirtung und Bekleidung der Lizenzmannschaft zuständig ist. Seit Montag ist der Urlaub vorbei. Jetzt müssen alle anderen Familienmitglieder mit anpacken, allen voran Ehemann Paul, der eigentlich passionierter Jäger ist, den vierbeinigen Nachwuchs aber auch ins Herz geschlossen hat. „Er sagt zwar immer, dass ich verrückt bin, aber wenn es drauf ankommt, ist er immer zur Stelle.“

Namen haben die beiden „Jungs“ auch schon: Elvis und Karlos. „Meine Tochter wollte immer einen Elvis, und mein Sohn hat gerade den Film ,Hangover 3‘ gesehen, in dem der kleine Carlos der heimliche Held ist.“

Ob Elvis und Karlos bei den Kohnens bleiben, ist noch nicht klar. „Am liebsten würde ich sie irgendwann wieder freilassen. Aber Böcke will kein Förster im Revier haben.“ Nun steht erst einmal eine Kastration an. Und der „alltägliche Wahnsinn“, wie Doris Kohnen es nennt.