Ballett: Die Sehnsucht des Fado

Das Ballett im „TiN“ begeistert.

Mönchengladbach. Ausgiebig bejubelt wurde im Theater im Nordpark der neue zweiteilige Abend von Ballettdirektor Robert North. Mit der Uraufführung von „Fado“ wird zunächst die Lebensgeschichte der Maria Severa erzählt, die im 19. Jahrhundert die erste große Fado-Sängerin gewesen sein soll. Mit „Bolero“ im zweiten Teil fügt North den vielen Choreographien zu diesem berühmtesten Werk Maurice Ravels seine eigene abstrakte Adaption hinzu.

Zunächst also ein Handlungsballett in drei Akten und mit großen Ensemble. Karine Andrei-Sutter gibt die Maria Severa (1820-1846). Im Soundtrack mixt North geschickt elegische Fado-Lieder und rhythmisch intensive Instrumentalstücke. Die Sehnsuchtsmusik Portugals wird in vielen Facetten vorgestellt.

Der erste Akt tritt dramaturgisch etwas auf der Stelle, das aber höchst pittoresk. Die Severa lernt in einer Gauklertruppe ihren Geliebten (Emmerich Schmollgruber) kennen. Die Gauklertruppe wird ausführlich mit mehreren Nummern präsentiert.

Der zweite Akt führt die Severa und ihren Geliebten nach Lissabon. Der junge Mann will zur See fahren, die letzte Liebesnacht hat North zu einem eindrucksvollen Pas de deux gestaltet. Dessen Pendeln zwischen Erotik und Zärtlichkeit nimmt gefangen.

Der Matrose verliert sein Leben ans Meer — symbolisiert durch eine Sirene (Camilla Matteucci) — in dem verzweifelten Solo danach nimmt Andrei-Sutter Bewegungen aus dem Pas de deux mit Schmollgruber wieder auf, die aber jetzt ins Leere greifen. Die Trauer führt Severa dann zum Klagegesang des Fado.

Als Sängerin lernt die Severa im dritten Akt einen Grafen (Alessandro Borghesani) kennen, der sich in sie verliebt. Doch ist diese Liebe zum Scheitern verurteilt, weil der tote Geliebte in Severas Erinnerung noch zu lebendig ist. Dies verdichtet North zu einem famosen Trio, in dem der Graf und der als Tod maskierte Geliebte um die Severa ringen. Dies ist sicher der zweite Höhepunkt der Choreographie, auch wenn der Abgang des Grafen ein wenig zu beiläufig scheint.

Den „Bolereo“ hat North für fünf Tänzerinnen und fünf Tänzer arrangiert. Wenn sie mit nach vorne gebeugten Oberkörpern stampfend auftreten, lässt Pina Bauschs berühmte Choreographie „Le Sacre du Printemps“ von Ferne grüßen. Auch im weiteren Verlauf mixt North kraftvolle Elemente des Ausdruckstanzes mit Ballettschritten.

Das Crescendo der Musik setzt North geschickt in Bewegungsintensität um, die wechselnde Instrumentierung des ständig wiederholten Ravel-Themas spiegelt er, indem er verschieden starke Teilensembles (Duo, Trio, Quartett und so fort) tanzen lässt. Am Schluss bricht die ganze Truppe zum brachialen Schlussakkord zusammen. kMs