CDU und SPD wollen neue Gewichtung der IT-Branchen

Stadt dürfe sich dem Wandel der Industrie nicht verschließen. Andernfalls bleibe Mönchengladbach Billiglohnstandort.

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Mit den fünf Leitbranchen für den Wirtschaftsstandort, den Wirtschaftsförderung Mönchengladbach (WFMG) und Hochschule Niederrhein vor einigen Jahren definiert haben, ist die Stadt eigentlich passabel unterwegs. Textil & Bekleidung, Maschinenbau, Logistik, Gesundheit sowie IT- und Kreativwirtschaft — in allen Bereichen gab es zuletzt entweder markante Erfolgserlebnisse oder es blieben zumindest branchentypische Hiobsbotschaften aus. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen kletterte schneller als erwartet weit über die Marke von 90 000, gerade im Niedriglohnsektor, wo es viel Bedarf gab, zahlte sich die Ansiedlung zahlreicher Logistiker aus. Also alles eitel Sonnenschein? Mitnichten. CDU und SPD wollen das Leitbranchen-Konzept überarbeiten lassen. „Wir wollen raus aus der Ecke ,Billiglohnstandort’. Gerade unter den Gesichtspunkten Logistik und Textil ist das ja mitunter schwierig“, sagt Hans Peter Schlegelmilch, Fraktionsvorsitzender der CDU.

Die Große Koalition fordert in einem Fraktionsantrag in der nächsten Ratssitzung konkret, den Katalog der Leitbranchen „weiterzuentwickeln“. Soll das die Abkehr von Textil und Logistik bedeuten? Mit der Wirtschaftsförderung jedenfalls war der Vorstoß nicht abgesprochen. „Man muss nicht alles über Bord werfen, aber wenn wir nicht stärker die Möglichkeiten für die Industrie 4.0 abbilden, befürchten wir, dass diese an Mönchengladbach vorbeizieht“, sagt Schlegelmilch. In den Sozialhaushalten jedenfalls sehe man den Turnaround, den die Arbeitsagentur mit ihren Zahlen propagiere, noch nicht. „Wir brauchen in der Stadt Branchen, die ein gewisses Einkommensniveau garantieren, so dass die Leute im Alter ohne Stütze leben können.“ Außerdem seien ohnehin kaum noch Grundstücke für weitere Logistikansiedlungen verfügbar. „Wir wollen eine Neubewertung seitens Stadt, WFMG und Hochschule dahingehend, was wirklich zukunftsfähig ist“, sagt Schlegelmilch.

Zukunftsfähig ist für die GroKo in erster Linie der Megatrend der Digitalisierung. Man gehe „auf Grundlage von Expertengesprächen davon aus, dass Wachstum und Innovationsfähigkeit der wirtschaftspolitischen Leitbranchen in Mönchengladbach in Zukunft stärker durch Digitalisierung beeinflusst werden“, heißt es im Fraktionsantrag. Dies gelte, in Form einer stärkeren Verflechtung mit Informations- und Kommunikationstechnologien, auch für Logistik und Textil. Doch zuvorderst geht es CDU und SPD darum, die Stadt zur Dienstleisterin für den digitalen Wandel weiterzuentwickeln. Und eine „Willkommenskultur“ für den Gründergeist zu schaffen, der in der digitalen Wirtschaft Usus ist. Moderne Wirtschaftsförderung — so stehe es im Kooperationsvertrag von CDU und SPD — heiße, Gründerklima zu schaffen. Und zwar nicht so sehr in Form von Gebäuden, Grundstücken oder ordnungsrechtlichen Strukturen. Sondern mit vernünftiger Breitband-Infrastruktur, mit einer Fokussierung auf Entwicklung und mit dauerhaften Serviceangeboten.

Man müsse diesbezüglich weg von der „Linienstruktur der Verwaltung“ zu einer projektorientierten, wie im Silicon Valley oder, im kleineren Maßstab, in Berlin. „Solche Vernetzungsstrukturen gedeihen auch nicht, wenn sie räumlich an die WFMG angegliedert sind. Deswegen gibt es ja auch präzise Ideen, eine Art Labor in der Nähe des Hochschul-Campus anzusiedeln“, sagt Schlegelmilch. Auch ein Kümmerer müsse etabliert werden.

Die Rede ist in diesem Zusammenhang von einem „Inkubator“ beziehungsweise einer „Entwicklungsplattform für digitale Angebote, Entwicklungen und Dienstleistungen im Sinne des wirtschaftlichen Strukturwandels und als unterstützender Wegbereiter der Industrie 4.0“. Beim Land müsste ein solches Interesse auf offene Ohren stoßen, hofft man nun: Die Landesregierung hatte im März einen Förderaufruf für „Digitale Wirtschaft-NRW-Hubs“ gestartet. Fünf solcher Kompetenzzentren für Innovations- und Digitalisierungsprozesse für regionale Unternehmen und Start-ups sollen landesweit gefördert werden. Die Fördersumme beläuft sich auf bis zu 500000 Euro pro Jahr und für drei Jahre, bei einem Eigenanteil in gleicher Höhe.

Beworben haben sich unter anderem Köln, Aachen und Düsseldorf. Mönchengladbach ist — wie beispielsweise auch Neuss — bei der Düsseldorfer Bewerbung mit im Boot. „Wir sind dort Partner, da es aus meiner Sicht keinen Sinn machte, gegen Düsseldorf zu konkurrieren. Gemeinsam macht es mehr Sinn“, sagt Ulrich Schückhaus, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung.