Das ABC für die Integration
Die Volkshochschule bietet Alphabetisierungskurse an.
Mönchengladbach. Zum Teil nur wenig Deutsch beherrschen die rund 15 Frauen, die sich am frühen Freitagnachmittag in der Volkshochsschule treffen. "Ich 12 Jahre", sagt eine, wenn man sie fragt, wie lange sie schon in Deutschland lebt, und schämt sich, weil sie nicht mehr sagen kann. Befragt nach ihrem Alter, ist sie ganz sprachlos und senkt den Kopf. Bei der Frage nach der Dauer ihres Schul-Besuchs im Heimatland kommt von einigen nur ein Kopfschütteln, von manchen ein "fünf" oder ein "sieben." Lesen und schreiben können sie trotzdem nicht.
Für ihren Alltag bedeutet das, dass sie nicht wissen, in welchen Bus sie steigen müssen, mit ihren Kindern keinen Arzt besuchen, kaum allein einkaufen und schon gar keinen Führerschein machen können. Meist sind sie dann auf ihre Männer angewiesen und isoliert.
Hier nehmen sie an einem Alphabetisierungs-Kurs teil, wie ihn die VHS zusammen mit zwei anderen Sprachschulen in Gladbach anbietet. "Wir haben auch Männer in diesen Kursen", sagt Cleopatra Altanis, die diese Kurse betreut. "Aber in erster Linie sind Frauen davon betroffen." Hier treffen sie andere, mit dem gleichen Willen, etwas zu ändern.
Für die Dozentin Uliana Retzlaff ist es eine Herausforderung, ihnen alles gleichzeitig beizubringen. "Früher hat man erst Lesen und Schreiben gelehrt, dann Deutsch", sagt Altanis. Seit kurzem gibt es ein verbindliches Konzept vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge. Altanis hat dafür gesorgt, dass der Verfasser an ihrer Einrichtung einen Workshop über die Methodik gehalten hat, zu dem Dozenten aus dem ganzen Rheinland nach Gladbach kamen.
Retzlaff will mit den Frauen Visitenkarten am Computer erstellen. "Das ist eine Erleichterung, wenn sie etwa zum Arzt müssen", so ihre Überlegung. "Und mit den Buchstaben ihres Namens verbinden sie sich besonders intensiv. Sie werden mit deutschen Gepflogenheiten bekannt gemacht und lernen ihr neues Umfeld besser verstehen.
Die meisten sind freiwillig hier, nur eine wurde über das Projekt Minze hierher verpflichtet: In Mönchengladbach müssen Migranten Deutsch lernen, wollen sie weiter Hartz IV beziehen. "Ziel ist natürlich eine Teilhabe am Arbeitsleben", begründet der Integrationsbeauftragte Klaus Schmitz, der das Projekt in Zusammenarbeit mit der Arge etabliert hat. "Das geht nur über Sprachkompetenz." Minze bringt einen gewissen Druck, der in anderen Gemeinden fehlt. Die dortigen Dozentinnen beklagen dann oft, dass die Männer ihren Frauen die Teilnahme verbieten.
Viele der Frauen haben noch nie in ihrem Leben gelernt, müssen sich daran erst gewöhnen. Nach ihrem Kurs können sie sicher keine Referate schreiben oder große Literatur lesen. "Aber sie können sich helfen", sagt Altanis, "und werden unabhängig." So erkennen sie die Bedeutung von Bildung "und halten ihre Kinder an, in der Schule gut mitzuarbeiten."
Einmal stand eine Teilnehmerin am Ende eines Kurses vor ihr und verkündete mit neuem Selbstbewusstsein: "Mein Mann scheiße, ich Scheidung." boe