Das Sterben der Kleinbäcker geht weiter

Mit der Bäckerei Hendricks hat ein weiterer traditionsreicher Innungsbetrieb Insolvenz anmelden müssen. Die Konkurrenz durch Ketten und Discounter wurde für den Familienbetrieb zu groß.

Foto: Christoph Reichwein

Am 1. Juli um 11.11 Uhr endete für Frank Hendricks ein Stück Familientradition im Insolvenzverfahren. Die traditionsreiche Bäckerei gibt es nicht mehr, das Amtsgericht eröffnete an diesem Tag zu jener Stunde wegen „Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung“ das Insolvenzverfahren. „Die Kosten waren einfach zu erdrückend, und mit dem Ertrag waren die Geschäfte einfach nicht wirtschaftlich zu betreiben. Die letzten Monate waren einfach zu brutal“, sagt Hendricks ohne große Verbitterung in der Stimme. „Der Kleine bleibt auf der Strecke, das ist der Gang der Zeit.“

Vier Geschäfte betrieb Hendricks in Gladbach mit zuletzt 14 Verkäufern. Drei davon sind zu, die frühere Filiale in Windberg wird von einer ehemaligen Angestellten in Eigenregie weiter betrieben. Damit hat das Bäckersterben in Mönchengladbach sein nächstes prominentes Opfer gefordert. Hendricks befindet sich damit in großer Gesellschaft.

Seit 2006 haben nach Angaben der Kreishandwerkerschaft 22 von 41 Betriebe der Bäcker-Innung aufgegeben. Sei es durch Insolvenz oder aus Altersgründen — und es hat sich schlicht kein Nachfolger gefunden. Laut Stefan Bresser, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft und der Bäcker-Innung gibt es nur noch 19 Innungsbetriebe in der Stadt. Bresser fragt: „Wann haben Sie zuletzt Brot beim inhabergeführten Bäcker gekauft?“ Innungsobermeisterin Gerti Riethmacher wird deutlicher: „Der Geschmack der Verbraucher ist verlorengegangen. Das Geschmackserlebnis ist kaputt. Viele Leute schmecken ein richtiges Brötchen gar nicht mehr.“ Brötchen herzustellen und zu verkaufen wird heute nicht mehr von vielen Verbrauchern als eine Kunst geschätzt, die nicht auch der Automat im Discounter erledigen kann. Erst waren es Tankstellen, die Brötchen zwischen Zigaretten und Motoröl verkauften. Dann kamen die Selbstbedienungsbäcker nach Franchise-System („Backwerk“), dann eröffneten immer mehr Ketten („Kamps“, „Stinges“) mit ganz anderer Preisstruktur neue Läden in Gegenden, in denen es eigentlich schon genug Bäcker gab.

Irgendwann wurden Stollen und sogar Hochzeitstorten übers Internet verkauft und per Post verschickt. Und dann bauten Lidl und Aldi noch Backautomaten in ihre Discountermärkte und verhökerten das Brötchen für 13 Cent. „Wenn ein Bäcker vom Verkaufspreis eines Brötchens leben können will, braucht er mindestens 32 Cent“, sagt Gerti Riethmacher. „Wer aber den Teig-Rohling in Polen für 9 Cent kauft und ihn nur kühlen und aufbacken muss, kann ihn auch für 19 Cent verkaufen.“

Diese Preisdifferenz wollen — oder auch können — die wenigsten noch bezahlen und dafür auch noch extra einen Umweg in Kauf nehmen. Das bekam auch Hendricks zu spüren. Gegenüber seiner Filiale in Lürrip eröffnete Lidl, in Windberg mit ohnehin üppiger Bäcker-Auswahl belegte die Kette Schollin mit neuem Backshop ein ganzes Autohaus, kurz darauf zog Stinges nur wenige hundert Meter weiter nach. Die Konkurrenz ist erdrückend, und wer kein beinahe einzigartiges Konzept hat, hat kaum eine Chance. „Die Kleinbäcker werden immer weniger, oder sie haben eine ganz besondere Nische“, sagt Gerti Riethmacher.

Frank Hendricks bleibt in den kommenden Monaten nur noch, die Familientradition bei Insolvenzverwalterin Nada Nasser abzuwickeln. „Und dann suche ich mir einen Job“, sagt er.