Der Kampf gegen Gaffer beginnt
Auch die Gladbacher Retter wünschen sich Sichtschutzzäune bei Einsätzen auf der Autobahn.
Vorletzten Freitagnachmittag auf der A 52, Höhe Ausfahrt Neuwerk: Ein Auto fängt Feuer und brennt vollständig aus. Der Fahrer konnte sich zum Glück vorher in Sicherheit bringen. Auf der Gegenfahrbahn fahren die Autos erst einmal ganz normal weiter, niemand interessiert sich für die Flammen, die aus dem Auto aufsteigen.
Jörg Lampe, Feuerwehrchef
Als die Feuerwehr an der Unfallstelle ankommt, ändert sich das Bild. Plötzlich werden die Autos auf der Gegenfahrbahn immer langsamer, bei genauerem Hinsehen sind Handys zu erkennen, die aus den Fenstern gehalten werden. Weil immer mehr Fotos und Videos gemacht werden, entsteht schließlich ein Stau von vier Kilometern.
Das ist kein Einzelfall. Die sogenannten Gaffer, die Unfälle auf Bildern oder Videos festhalten, werden auch in Gladbach immer skrupelloser. „Das ist für uns Alltag. Jeder Zweite zückt heutzutage als erstes die Handykamera, wenn zu erwarten ist, dass Tote oder Verletzte geborgen werden“, sagt Feuerwehrchef Jörg Lampe.
Bisher hat sich die Feuerwehr in solchen Fällen oft damit beholfen, Decken hochzuhalten oder ihre Einsatzwagen so zu parken, dass die Unfallstelle abgeschirmt wird. Nun wurden NRW-weit Sichtschutzzäune angeschafft, die bei Bedarf schnell aufzubauen sind. Das Problem: Die Zäune liegen nicht bei der Gladbacher Autobahnmeisterei, sondern in Kaarst. Werden sie von der Gladbacher Polizei angefordert, müssen sie erst aus Kaarst geliefert werden.
„Innerhalb von 100 Minuten müssen die Zäune am Unfallort sein“, erläutert Dietmar Kautz, Betriebsdienstleiter bei der Autobahnmeisterei Kaarst, die Vorschriften. Die Feuerwehr soll dann beim Aufbau helfen. „Das dauert maximal zehn Minuten“, sagt Kautz.
Ist dann nicht all das, was die Gaffer gerne auf ihren Videos festhalten, schon vorbei? „Das kommt drauf an. Die Bergung eines Lkws kann schon mal drei bis fünf Stunden dauern“, sagt Kautz.
René Hartmann, Kreisbereitschaftsleiter beim Deutschen Roten Kreuz, glaubt nicht, dass die Zäune für den Akuteinsatz wirklich geeignet sind. „Wenn jemand im Auto eingeklemmt ist, kann es aber schon mal etwas länger dauern“, sagt er. Außerdem sei jeder Ansatz, das Problem in den Griff zu kriegen und das Thema ins Gespräch zu bringen, wichtig. „Ich habe schon erlebt, dass sich bei einer Reanimation in einem Festzelt so eine große Traube von Gaffern um den Patienten geschart hatte, dass unser Personal mit den lebenswichtigen Medikamenten erst gar nicht mehr durch kam“, erzählt Hartmann. Zudem würden viele Leute, die eigentlich ausgebildet wären und Erste Hilfe leisten könnten, lieber Fotos machen als zu helfen.Im Normalfall seien die Einsatzkräfte derart fokussiert auf den Unfall, dass sie die Gaffer einfach ausblenden. „Wenn genug Personal vor Ort ist, sprechen wir oder die Polizei die Leute allerdings schon mal an und bitten sie, zu gehen“, sagt Hartmann. Einige reagierten dann äußerst aggressiv.