Diagnose Krebs: „Das Lachen bricht den Problemen oft die Spitze ab“

Zwei Psychologinnen helfen Patienten im Krankenhaus Bethesda bei der Bewältigung der Diagnose Krebs.

Mönchengladbach. Die Angst kommt zuerst und geht zuletzt. Die gefürchtete Diagnose Krebs löst sie aus, sie ist ein Begleiter vor und nach der Operation und wird später zur Angst vor der Rückkehr der Krankheit.

Krebs hat damit nicht nur einen körperlichen, sondern auch einen seelischen Aspekt. Dem wird in den Krankenhäusern zunehmend Rechnung getragen: Immer mehr Psycho-Onkologen kümmern sich um die Krebspatienten.

Im Evangelischen Krankenhaus Bethesda sind zwei Psychologinnen tätig: Jutta Müller-Porten ist für das Brustzentrum zuständig und Michaela Scholl seit kurzem für das Darmzentrum. „Ich berate die Patientinnen nicht medizinisch und kann keine Entscheidung für sie fällen“, sagt Jutta Müller-Porten. „Aber ich nehme sie als Menschen ernst mit allen Sorgen, die nicht einfach nur schnell weggetröstet werden dürfen.“

So macht es den Patientinnen viel aus, bei der Chemotherapie die Haare zu verlieren. Gleichzeitig machen sie sich Vorwürfe, weil sie Äußerlichkeiten so wichtig nehmen. Bei der Psycho-Onkologin können sie diesen Zwiespalt thematisieren, die Dinge ohne Scheu beim Namen nennen. Ebenso können sie über die Angst vor dem Sterben oder dem Verlust der Leistungsfähigkeit reden.

„Der Selbstwert ist ein ganz großes Thema“, sagt Jutta Müller-Porten. „Wie belastbar bin ich, wie belastet sind die Angehörigen, was bin ich wert?“ Die mögliche Veränderung des Körperbildes löst ebenso Ängste aus — bei Frauen wie bei Männern. Ein künstlicher Darm-ausgang etwa stellt die Patientinnen und Patienten vor besondere Herausforderungen.

„Angst, Scham, Unsicherheit, das ganze emotionale Spektrum ist vertreten“, weiß Michaela Scholl, die häufig Darmkrebspatienten betreut. „Die Fassungslosigkeit ist groß, Gesundheit ist auf einmal nicht mehr selbstverständlich.“

Die Patienten haben zudem mit der Erfahrung zu kämpfen, dass sie sich bis zur Behandlung meist nicht krank gefühlt haben. Sie müssen mit dem paradoxen Gefühl fertig werden, dass die Bekämpfung der Krebserkrankung bei ihnen erst das Krankheitsempfinden auslöst.

Zusätzlich brechen alte Wunden auf. „In der Krise kommen alte Leichen aus dem Moor“, fasst Jutta Müller-Porten das Geschehen in ein Bild. Depressionen oder Panik-Attacken treten wieder auf, Erinnerungen an Erfahrungen von Gewalt oder Missbrauch kehren wieder.

Die Psycho-Onkologinnen stehen als ausdauernde und kompetente Gesprächspartnerinnen zur Verfügung, auch wenn Angehörige und Freunde vielleicht schon die Geduld verloren haben. „Im Idealfall kommen die Patienten ängstlich herein und gehen befreit wieder weg“, sagt Müller-Porten über ihre Arbeit. „Dann ist es gelungen, den Blick zu weiten und bei der Bewältigung der Lebenskrise zu helfen.“

Die Psychologin liebt ihre Arbeit. „Neben der Schwere der Themen wird übrigens auch viel gelacht. Das Lachen bricht den Problemen oft die Spitze ab.“