Die Angst vor den „Ghetto-Boys“
Bürger fordern von der Stadt, die Jugendarbeit nicht zu vernachlässigen. Lebensmittelladen stellt Wachleute ein.
Mönchengladbach. Sie tragen ihren Namen auf Shirts. Die OGB-Gang - was Odenkirchener Ghetto-Boys heißen soll - sorgt seit Monaten in Odenkirchen für Aufsehen und Schrecken. "Und wir meinen, dass die Verantwortlichen zu wenig tun", sagt eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern.
Weil die Stadt versagt habe, startete die Odenkirchener Gruppe ein Freizeit-Programm. So will man auch an die etwa 14- bis 18 Jahre alten "Ghetto-Boys" herankommen. Langfristig geht es den engagierten Leuten um eine kontinuierliche, vor allem vorbeugende Jugendarbeit. Schließlich sei die Liste der Versäumnisse lang, sagt Rolf Flören, einer der Organisatoren.
Als Jugendliche einen Taxifahrer im November 2006 brutal misshandelten, war das der Höhepunkt nach ihren Diebstählen, Pöbeleien und Schlägereien. Und der Aufschrei war groß.
Zwar wurden sechs 14- bis 17-Jährige festgenommen und danach die Odenkirchener Gespräche (u.a. mit Politik, Stadt, Kirchen usw.) ins Leben gerufen.
Doch was wurde durch diese Gespräche erreicht? Laut Helmut Schaper, Ratsherr der Linken, nicht viel. Seit mindestens sechs Monaten sei die Stelle eines Streetworkers mal wieder nicht besetzt. Der soll mit der Szene (u.a. den "OGBs") ins Gespräch kommen.
Stadt und Arbeiterwohlfahrt (Awo) hatten in den "Gesprächen" vereinbart, dass der Ansprechpartner vor Ort aktiv wird. Zuletzt habe die Awo einer Sozialarbeiterin einen siebenmonatigen Vertrag angeboten - sie verzichtete.
Eine Wohnung im Hochhaus Nr. 33 "Zur Burgmühle" wurde von Eigentümern als Treff für Problem-Jugendliche angeboten. Die Stadt verzichtete, wollte selbst die 100 Euro Monatsmiete nicht zahlen. Jetzt kostet sie nichts, die Polizei ist hier nun montags von 15 bis 16 Uhr "beratend und informierend" zur Stelle. Wie es heißt, werde das Angebot gut angenommen.
Zwar betreibt die Stadt im Stadtteil den Jugendtreff "Villa", Burgfreiheit, doch der erreiche Jugendliche mit Migrations- oder kriminellem Hintergrund kaum. Deshalb seien unkonventionelle Methoden nötig, sagt die Gruppe, zu der neben Flören und Schaper Polizei-Bezirksbeamter Willi Leopold und Sevana Ntongala gehören. Schaper: "Zugucken reicht nicht mehr."
Handeln musste Kaiser’s. Nachdem sich "mehrfach" und nachmittags junge Leute im Laden an der Wehrstraße "bedienten", aber nicht zahlten, stellte die Handelskette drei Wachleute ein. Einer von ihnen wurde von jungen mutmaßlichen Dieben verprügelt, sagt ein Polizeisprecher. Die Zahl der Diebstähle sei zurückgegangen, seitdem ein Zwei-Meter-Mann mit Wache schiebt. Kaiser’s erstattete laut Polizei Anzeige.
Schaper befürchtet: "Heute Kaiser’s, morgen Rewe?" Mit der OGB-Gang habe sich eine ähnliche kriminelle Struktur gebildet wie vor vier knapp vier Jahren, als der Taxifahrer Opfer wurde.
Die Stadt und ihr Jugendamt müssten erkennen, dass vorbeugende Arbeit billiger sei, als hohe Folgekosten zu zahlen.
Mit ihrer Ferienaktion (siehe Kasten) will die Gruppe einen Beitrag leisten gegen Langeweile unter jungen Leuten, von denen viele gefährdet seien. Doch die Stadtverwaltung dürfe nicht länger wegsehen. Leopold zur WZ: "Ganz wichtig ist der Einsatz eines Streetworkers, wir als Polizei tun, was wir können."
Die Kinder- und Jugendkriminalität ist statistisch rückläufig. Von Januar bis 15. Juli 2009 gab es 476 Fälle, im gleichen Zeitraum 2010 430.