Eine Autorin, ihre Tanten und ihr Roman
Mit einer Lesung von Anne Gesthuysen startete der Literarische Sommer in der Bibliothek in Rheydt.
Mönchengladbach. Alles ist doch noch gut gegangen. Arno van Rijn wischt sich erleichtert über die Stirn. Zeitweise gab es in Rheydt Stromausfall (siehe oben). „Ich habe Blut und Wasser geschwitzt“, erklärt der Leiter der Stadtteilbibliothek Rheydt.
Für den Organisator des Literaturfestivals eine kleine Katastrophe, denn mit der Lesung der Autorin Anne Gesthuysen fällt an diesem Abend in Gladbach der Startschuss für das deutsch-niederländische Lese-Event.
Während van Riyns Schweißtropfen langsam trocknen, fließen sie bei den Besuchern um so mehr. Der Literatursommer macht seinem Namen alle Ehre. Es ist heiß in den Räumen der Stadtteilbibliothek.
Auch, weil die aus dem Fernsehen bekannte Autorin die Zuhörer — sowohl hinsichtlich Sprechgeschwindigkeit als auch erzählerischer Kapriolen — in einem rasenden Tempo mit in die Geschichten ihres Romans nimmt.
Mehrheitlich sind es Zuhörerinnen. „Literatur ist weiblich. Frauen lesen erfahrungsgemäß mehr als Männer“, weiß Arno van Rijn und freut sich, dass die Lesung ausverkauft ist.
„Ich kenne Anne Gesthuysen als Moderatorin des Morgenmagazins, deshalb bin ich hier. Gelesen habe ich ihr Buch nicht“, erzählt eine Besucherin und lehnt sich, ein Gläschen kühlen Weißwein in der Hand, in Erwartung des kommenden Lesevergnügens entspannt auf ihren Platz zurück.
„Wir sind doch Schwestern“, heißt der Bestseller der Journalistin, die ebenso vom Niederrhein stammt wie ihre Protagonistinnen. Katty, Paula und Gertrud sind „meine real existierenden Großtanten“, erklärt die Romanschreiberin.
Den 100. Geburtstag der ältesten Schwester Gertrud, den sie in ihrem Buch beschreibt, hat Anne Gesthuysen selber erlebt und als Dokumentarfilm „Die Golden Girls vom Niederrhein“ für den WDR festgehalten. Eher durch Zufall wurde aus der Familiengeschichte ein Roman.
Die Geschichte sei journalistisch genau recherchiert: „Es hat nicht ganz gereicht. Ein paar Szenen habe ich mit dem Leben gefüllt, das meinen Tanten entspricht“, berichtet Anne Gesthuysen. Fast 300 Lebensjahre galt es zu erzählen, dabei habe sie an manchen pikanten Familientabu gerüttelt, so die Autorin. Katty, die Jüngste, war in einen schmutzigen Scheidungskrieg mit einem bekannten CDU-Politiker verwickelt.
Die mittlere Schwester Paula lebte als geschiedene Frau — in den Nachkriegsjahren eine Schande am katholischen Niederrhein. Gertrud wurde als eigenständig lebende Frau für die Autorin zu einem Vorbild: „Alle drei Schwestern hatten es nicht leicht. Es ist toll, was sie geleistet haben und wie viel Lebensfreunde sie sich bewahren konnten.“