Krankenstand: Gladbacher wieder häufiger krank
Zehn Jahre gingen die Fehltage der Mitarbeiter in Gladbacher Unternehmen zurück. Seit 2007 ist das anders. Die Gründe klingen widersprüchlich: steigende Arbeitszeiten, mehr Stress und auf der anderen Seite weniger Angst um den Job.
Mönchengladbach. Wilma M. weiß vor lauter Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen nicht wohin. Wohin geht sie trotzdem? Zur Arbeit. Bei ihrem Job in der Telefonzentrale eines Mönchengladbacher Unternehmens sprechen sie sogar Kunden, die anrufen, an: "Sie klingen aber schlecht. Sie müssen ins Bett, sich auskurieren." Doch Wilma M. (52) hat in der Firma seit Jahren keinen Tag mehr wegen Krankheit gefehlt. Sie hat Angst um ihren Arbeitsplatz. Und sie will die Kollegen nicht noch mehr belasten, die ihre Aufgaben übernehmen müssten, wenn sie sich daheim auskuriert. "Die sind eh schon genug im Stress", sagt die Mönchengladbacherin.
Wie Wilma M. ist es in den vergangenen Jahren vielen Mönchengladbachern gegangen. Seit Jahren verzeichneten die Krankenkassen, die in ihren Statistiken die Fehltage bilanzieren, eine stetig sinkende Zahl der krank gemeldeten Versicherten und der Fehlzeiten insgesamt. Doch seit dem vergangenen Jahr ist das anders.
25000 versicherungspflichtig Beschäftigte sind in Mönchengladbach zum Beispiel bei der AOK Rheinland versichert. Seit zehn Jahren gingen hier die Krankmeldungen und "Entgeltfortzahlungen", wie es im Kassen-Jargon heißt, stetig zurück. Doch dann stieg der Krankenstand von 2006 auf 2007 um 5,07 Prozent an.
Andere Krankenkassen in Mönchengladbach bestätigen diesen Trend, selbst wenn nicht alle mit Zahlen dienen können oder wollen.
Bei der Techniker Krankenkasse (TK) hat man statistisch erfasst: Zum ersten Mal gehen die Zahlen nach oben. 2007 waren die bei der TK in der Vitusstadt versicherten Arbeitnehmer durchschnittlich elf Tage krank geschrieben, das ist ein halber Tag mehr als 2006. Der Krankenstand ist damit - ähnlich wie bei der AOK - um fünf Prozent gestiegen - auf rund 250999 Fehltage.
Was die Gründe für den Anstieg angeht, sind diese vielfältig, klingen sogar widersprüchlich. Gregor Mertens vom Institut für betriebliche Gesundheitsförderung (BfG GmbH), einer hundertprozentigen AOK-Tochter, sieht ein Bündel von Ursachen für die Entwicklung. "Viele Jahre haben sich die Menschen zur Arbeit geschleppt, das Gefühl gehabt, dass sie nicht krank zu Hause bleiben könnten", resümiert der BfG-Teamleiter und Fachberater.
Durch die Nachrichten von einer anziehenden Konjunktur verlören offenbar viele Menschen die Sorge, ihren Arbeitsplatz verlieren zu können, weil sie zum Beispiel häufiger krank waren als andere Kollegen. Dass sich "der Arbeitsmarkt entspannt", sieht auch TK-Sprecherin Meike Buchwald als einen der Gründe.
Gleichzeitig sieht Mertens aber auch, dass die Arbeitszeiten sich im vergangenen Jahr für viele geändert hätten: "Es hat diverse Tarifverhandlungen gegeben, an deren Ende schließlich eine erhöhte Arbeitszeit für die Menschen stand." Die Belastung der Arbeitnehmer sei dadurch gewachsen. Stress und psychische Problemen haben aus Sicht der Experten deutlich zugenommen.
Die Krankheitsbilder, die 2007 die häufigste Ursache für die Krankmeldungen waren, deuteten darauf hin, so Mertens. In den meisten Fällen waren Gründe für die Fehlzeiten Atemwegserkrankungen, also alles von Husten und Schnupfen über die ausgewachsene Grippe und Allergien bis zur Lungenentzündung. "Aber schon auf Platz zwei sind Muskel- und Skeletterkrankungen", betont Mertens. Und davon waren zwei Drittel Rückenprobleme. Die seien in den allermeisten Fällen auf Stress und psychische Belastung zurückzuführen. Und von der Zahl der Betroffenen weg und hin zu der Länge der Krankmeldungen rutschen diese Probleme sogar auf Platz eins.
"Die Arbeit selbst macht manche krank", so formuliert es Buchwald. Auch bei der TK gehören Depressionen und "depressive Episoden" zu den häufigsten Diagnosen.
Fristen: Wer wegen einerKrankheit arbeitsunfähig ist, sollte dies schnellstmöglich demArbeitgeber melden. Wer Fristen versäumt, dem drohen Konsequenzen.Dabei hängt von der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ab, ob eine ärztlicheBescheinigung vorgelegt werden muss. Gesetzlich ist geregelt, dassdiese ab drei Krankheitstagen beizubringen ist. In manchenArbeitsverträgen gibt es allerdings kürzere Fristen.