Lebenslange Haft für Leos Vater
Dass die Mutter eine Bewährungsstrafe erhielt, löste Tumulte im Gerichtssaal aus.
Weil ein Vater (26) seinen kleinen Sohn Leo quälte, misshandelte und schließlich ermordete, ist er gestern vom Landgericht Mönchengladbach zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Außerdem stellten die Richter eine besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet für den Angeklagten, dass er nach 15 Jahren nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden kann.
War es bis zu diesem Augenblick noch sehr still im Gerichtssaal geblieben, änderte sich das abrupt, als der Kammervorsitzende Lothar Beckers das Urteil für die Mutter des getöteten Babys verkündete: eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung „wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen“. Die zahlreichen Zuschauer reagierten zu einem Teil mit deutlichen Unmutsäußerungen, andere brachen in Tränen aus. Schließlich hatte die Staatsanwältin Jane Wolf für die 25-jährige Angeklagte wegen Totschlags durch Unterlassen eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verlangt. Die Anklagevertreterin hatte Leos Mutter vorgeworfen, sich in der Tatnacht im Nebenzimmer schlafend gestellt zu haben, obwohl sie die Schreie des Kindes gehört haben soll. Sie habe billigend in Kauf genommen, dass ihr Mann Leo tötet. Die Mutter hätte aufstehen und das Kind in ihre Obhut holen können.
Die Richter sahen das etwas anders: Die Angeklagte habe damals nicht unbedingt damit rechnen müssen, dass der Vater den kleinen Leo tötet. Deshalb keine Verurteilung wegen Totschlags. Aber sie habe nicht eingegriffen, als der Angeklagte im Nebenzimmer das Kind quälte und am Ende mit dem Kopf auf die Tischkante schlug, bis es tot war, so die Richter. „Ich habe nichts bemerkt“, hatte sich die Angeklagte im Prozess verteidigt.
Die 25-Jährige und auch ihr Mann waren vor dem Mord nie auffällig geworden. Keiner der beiden ist vorbestraft. Das Paar galt als völlig „normal“. Dass in ihrer Wohnung ein Baby in großer Gefahr schwebte, hatte offenbar keiner bemerkt.
Jane Wolf, Staatsanwältin
Zumindest wurde nichts gemeldet. Dabei hatte es nach der Geburt des kleinen Leo am 2. Oktober 2015 schon bald Probleme gegeben. Der Vater betrachtete den Säugling offenbar wie einen erwachsenen Nebenbuhler. Der 26-Jährige fühlte sich zurückgesetzt, wollte bei seiner Frau wieder im Mittelpunkt stehen. Dem jedoch stand das Baby im Weg. Bereitwillig und seltsam emotionslos hatte der Angeklagte bereits bei einem Gutachter geschildert, wie er den Säugling ins Gesicht geschlagen, mit heißer Milch verbrüht und am Ende sogar sexuell missbraucht habe. Der Angeklagte geriet zudem in Wut, wenn das Kind quengelte und sich von ihm nicht beruhigen ließ. Einmal habe er den kleinen Körper „wie eine Zitrone“ zusammengedrückt. „Leo hat meinen Platz bei meiner Frau eingenommen“, hatte er sinngemäß erklärt. In der Nacht zum 21. Oktober 2015 habe er beschlossen, Leo zu töten.
Mit direktem Vorsatz habe der Gladbacher gemordet und aus niedrigen Beweggründen gehandelt, so die Urteilsbegründung. Außerdem habe der 26-Jährige besonders grausam gehandelt, als er die Hilflosigkeit des Säuglings ausnutzte. Er habe den kleinen Leo gefühllos und unbarmherzig gequält. Die zwei Mordmerkmale brachten dem Angeklagten die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ein.
„Wir werden überlegen, ob wir gegen die zweijährige Bewährungsstrafe, zu der das Schwurgericht die Mutter von Leo verurteilt hat, in Revision gehen“, sagte Staatsanwältin Jane Wolf gestern. Derweil ist die 25-jährige Angeklagte nach Aufhebung des Haftbefehls wieder in Freiheit.