Kranzniederlegung in Mönchengladbach Mönchengladbacher erinnern an Reichspogromnacht
Mönchengladbach. · Die Redner warfen auch einen besorgten Blick in die Zukunft.
Viele Mönchengladbacher versammelten sich am Samstagabend an der Blücherstraße 15/17, wo bis zur Pogromnacht 1938 die Synagoge der Jüdischen Kultusgemeinde Mönchengladbach stand. Alte, Junge, Frauen, Männer, einige von ihnen mit Kippa, Vertreter der Kirchen, Politiker verschiedener Parteien und Vertreter anderer Organisationen sowie Schüler der Gesamtschule Rheydt-Mülfort waren gekommen, geeint in dem Wunsch, der menschenverachtenden Verbrechen an den Juden zu gedenken.
Etwa eineinhalb Stunden harrten sie in der Kälte aus, während die Redner des Abends den Bogen von der NS-Zeit in die turbulente Gegenwart und in eine unsichere Zukunft spannten. Zuvor legten Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Leah Floh, einen Kranz an dem Mahnmal nieder, das seit 1974 an die niedergebrannte Synagoge und das Schicksal ihrer Gemeinde erinnert. Neben besinnlichen musikalischen Einlagen von Anette Bauernfeind-Gormanns und Heike Hansen, einer kurzen Ansprache einer Schülerin, einigen Gebeten, spirituellen Texten und Liedern standen die Ansprachen von Reiners und Floh im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung.
„Wir gedenken der Ereignisse der Pogromnacht vor 81 Jahren aus Achtung vor den Opfern und in Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. So verstehe ich diese Gedenkfeier“, erklärte Reiners zu Beginn. Er stellte klar: „Jeder Angriff auf einen Menschen jüdischen Glaubens ist ein Angriff auf die Menschlichkeit.“
In einem historischen Exkurs ging er auf die gleichermaßen perfide wie perfektionierte Vernichtungsbürokratie des NS-Regimes ein und zitierte aus einem Bericht der Stadtverwaltung Mönchengladbach vom 4. Oktober 1940, in dem es um die „Erfolge“ der „Entjudung“ ging. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema halte er für wichtig, „denn Verdrängen und Verschweigen, Verharmlosen, Beschönigen und Verleugnen schafft neue, schafft persönliche eigene Schuld“, so Reiners.
„Deutschland, 9. November 1938 – Halle, 9. Oktober 2019: Die Vergangenheit und die Gegenwart so weit, so nah…“, brachte Leah Floh einen zentralen Gedanken auf den Punkt. Durch das Studium der Shoah und deren Vorgeschichte könne man außerdem in Erfahrung bringen, dass menschliche Katastrophen, wie in der NS-Zeit, nicht plötzlich vorkämen, sondern einem natürlichen Prozess folgten, so Floh an einer anderen Stelle ihrer Ansprache. „Zuerst kommt die jahrelange Saat antisemitischen Gedankenguts, die vermeintlich objektive Ziele verfolgt, aber doch bleibenden Schaden anrichtet“, konstatierte Floh und: „Ich glaube, wir befinden uns aktuell in Europa in diesem Stadium.“ Bei aller Trauer über die Vergangenheit und Sorge vor der Zukunft klang es doch hoffnungsvoll, dass Reiners und Floh ihre Ansprachen mit dem Wort „Schalom“ beendeten.