Zum 9. November Gedenkfeier zu Pogromnacht: „Auch in Krefeld werden wir angefeindet“

81 Jahre nach der Pogromnacht ist die Gedenkfeier an der alten Synagoge in Krefeld nach den Ereignissen der letzten Wochen politisch und aktuell.

Michael Gilad (Vorsitzender Jüdische Gemeinde, r.) und Oberbürgermeister Frank Meyer erinnerten an die Pogromnacht.

Foto: Lothar Strücken

Es ist eine besonders berührende Feier, am Freitagnachmittag an der alten Synagoge: Einen Monat nach dem Anschlag in Halle und der Ermordung von zwei Menschen zeigen die knapp 200 anwesenden Krefelder aus Kirche, Politik und Gesellschaft Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde. Frische Kränze schmücken das Mahnmal. Das Kaddisch, das Trauergebet, wird in Hebräisch und Deutsch gesprochen. Der Gedenktag der Pogromnacht ist eigentlich der 9. November. Doch dieser Gedenktag ist in diesem Jahr ein Samstag, der Sabbat ist für die Juden aber ein Ruhetag. Deshalb wird schon am Freitag an diese schrecklichen Ereignisse erinnert.

Oberbürgermeister Frank Meyer hält nach den sehr jungen Ereignissen in Halle und der Landtagswahl in Thüringen eine politische Rede, betont dies eigens und erhält mehrmals Applaus. „Es verbietet sich, die jüngsten Geschehnisse auszuklammern und nur weit zurückzuschauen, auf die schrecklichen Taten des 9. November 1938. Denn zu unserer aller Bestürzung tun sich im Moment unheilvolle Verbindungen auf, zwischen Gestern und Heute.“ Vor allem zwei Ereignisse der vergangenen Wochen müsse man als Zäsuren begreifen und als deutliche Warnsignale, dass im Deutschland des Jahres 2019 etwas aus den Fugen geraten sei. „Ich bin froh, dass sich in Krefeld sehr bald nach dem Anschlag in Halle ein Bündnis der christlichen Kirchen und der Jüdischen Gemeinde zusammengefunden hat, um eine Mahnwache abzuhalten. Das war ein wichtiges, ein bewegendes Signal der Solidarität und des Mitgefühls.“

Zum Thüringer AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke sagt Meyer: „Noch jenseits des rechten Randes ist ein Kandidat angetreten, der symbolisch und tatsächlich für eine weitere Radikalisierung einer ohnehin extremen Partei steht. Er hat in einem Buch seine Ideen für dieses Land niedergeschrieben – Ideen, die in letzter Konsequenz das Ende der Demokratie und des Grundgesetzes bedeuten: Es kann also niemand sagen, er sei nicht gewarnt.“

Michael Gilad, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Krefeld, zündet zwei Kerzen an für die in Halle Gestorbenen. „Am diesjährigen Yom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, dem Versöhnungstag, fielen in Halle zwei Personen einem Menschen zum Opfer, der die gleiche Ideologie vertritt wie diejenigen, die Juden 1938 bis 1945 in Gaskammern ermordeten.“ Er könne zahlreiche Beispiele nennen, wie Juden überall angegriffen werden: „Nazischmierereien auf Krefelder Straßen, die ich selbst übersprüht habe – denn wochenlang ist dies nicht geschehen. Das Wort ‚Jude’ als Schimpfwort in Schulen und auf Fußballfeldern, ein Nachbar beleidigt mich wegen meiner Religion und unser Rabbiner wird immer wieder mit Personenschutz nach Hause begleitet, denn auch in Krefeld werden wir auf offener Straße angefeindet.“

Vor der Synagoge stehe eine Polizeistreife, berichtet Gilad. „Auch hier an der alten Synagoge werden wir gerade von Polizeibeamten geschützt. Muss das sein? Können wir hier nicht frei leben?“ Dann lädt der Vorsitzende die Anwesenden ein, In die Synagoge zu kommen, zu Konzerten oder zum Donnerstags-Café. „Unser Haus ist offen für alle.“