Premierenabend im Theater: Der Goldene Drache
Hüseyin Michael Cirpicis lässt Schimmelpfennigs „Der Goldene Drache“ neu aufleben — verfremdet, grausam, gelungen.
Mönchengladbach. Wenn Männer in Frauenkleidern auftreten, dann ist das für gewöhnlich skurril und witzig. Figuren wie „Charlies Tante“ oder „Tootsie“ garantieren Lacherfolge. In Hüseyin Michael Cirpicis Inszenierung des Schimmelpfennig-Stücks „Der Goldene Drache“ wirkt dieses Mittel bewusst nicht in gleicher Weise. Vielmehr blieb beim Premierenabend im Mönchengladbacher Theater den Zuschauern das Lachen oft im Hals stecken.
Das Bühnenstück arbeitet mit den Mitteln der Verfremdung. Die narrative Struktur, der schnelle Rollenwechsel und vor allem die fehlende Identifikationsmöglichkeit mit den Figuren schaffen Distanz, und doch kann sich der Zuschauer den Figuren, ihren Gefühlen und Geschichten nicht entziehen. Es geht um die Opfer der Globalisierung, die ein Leben in Illegalität oder als Sexsklaven führen müssen. Ein Thema, das schnell in Plattitüden und Klischees abrutschen könnte.
Cirpici ist es mit seiner Regie gelungen, die Gesellschaftskritik nicht flach und eindimensional werden zu lassen. Wenn eine zur Prostitution gezwungene Asiatin — gespielt von einem Mann — von einem Freier — dargestellt von einer Frau — schwer misshandelt wird, dann fällt es schwer, sich mit den üblichen erstarrten Schuldzuweisungen das Denken und Mitfühlen zu ersparen.
Der Regisseur kann dabei auf fünf starke Darsteller bauen, denen jeder Rollenwechsel gelingt und die in jeder Figur aufs Neue glänzend überzeugen. Das Bühnenbild von Sigi Colpe hat mit der Idee, die Schauspieler hinter einer Glaswand agieren zu lassen, den Ansatz der Regie konsequent weiterentwickelt. Das Glashaus scheint Distanz zu schaffen. Doch die Scheibe ist nicht glasklar, da sind von Anfang an Streifen zu erkennen. Im Laufe des Stücks verschmiert das Blut des kleinen Chinesen die Sicht und die misshandelte Grille presst ihren Körper so gegen das Glas, dass dem Zuschauer keine Illusion bleibt.
Das gelungene Spiel von Nähe und Distanz wird durch die Musik weiterentwickelt, in dem sie die Emotionen einerseits spiegelt und andererseits beschreibt. Dementsprechend begleitet Komponist Gregor Schwellenbach das Agieren manchmal auf der Bühne, meist jedoch außerhalb des Glaskastens.