Unfallflucht: Moralischer Verfall auf den Straßen?
Immer mehr Verursacher von Unfällen machen sich einfach aus dem Staub.
Mönchengladbach. Neun Jahre Gefängnis. Vor genau einem Jahr bestätigte das Landgericht dieses Urteil gegen einen 29-Jährigen, der im April 2010 mit einem Mercedes Sprinter einen 26-jährigen Radfahrer gerammt hatte und danach einfach weitergefahren war. Der Radfahrer starb am Unfallort. Ein Extremfall, sicher, doch Fahrerflucht gehört auf Mönchengladbachs Straßen immer noch zur Tagesordnung.
Von 2010 (1383 Fälle) zu 2011 (1799) ist die Zahl der Unfälle, bei denen sich der verursacher einfach aus dem Staub macht um über 400 gestiegen. „In diesem Jahr lagen uns bis Ende Oktober bereits 1523 Anzeigen wegen Fahrerflucht vor“, sagt Polizeihauptkommissar Klaus Meinor, der das zuständige Verkehrskommissariat 2 leitet. Legt man den Durchschnitt der vergangenen Jahre mit etwa 150 Unfallfluchten im Monat zugrunde, steuert Mönchengladbach auf einen neuen Negativrekord zu. „Ich finde das erschreckend“, sagt Meinor, der aber auch keine Erklärung für diesen Trend hat.
Unfallverursacher, die die Polizei im Nachhinein ausfindig machte, sagten oft, sie hätten den Zusammenstoß nicht bemerkt. „Das ist aber nur selten nachvollziehbar, da man im Auto eigentlich schon kleinste Kollisionen wahrnimmt“, so Meinor. Und nicht immer geht es nur um eine flüchtige Stoßstangenberührung beim Einparken: Allein in der vergangenen Woche ging die Polizei mit drei Unfallfluchten an die Öffentlichkeit, bei denen der Schaden teilweise über 10 000 Euro lag (Fotos).
Ist es also die Angst vor Kosten, beispielsweise für eine Anhebung des Versicherungsbeitrages, die die Fahrer flüchten lässt? Oder verfällt die Moral auf Gladbachs Straßen. Meinor möchte sich da nicht festlegen: „Vielleicht ist auch einfach die Bereitschaft zur Anzeige einer Unfallflucht gestiegen.“ Es gebe auch kein eindeutiges Täterprofil. „Das geht durch alle Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten.“
Die Aufklärungsquote der Polizei liegt bei Unfallfluchten mit Sachschäden bei nur rund 45 Prozent. „Wir sind in den meisten Fällen auf die Aussagen von Zeugen angewiesen“, erklärt der Kommissariatsleiter. Werden Menschen verletzt, kann die Polizei statistisch gesehen immerhin drei von vier Fällen aufklären. Meinor ist das eine Herzensangelegenheit denn: „Unfallfluchten mit Verletzten sind besonders sozial-schädlich.“