Wie die Aktion Friedensdorf der kleinen Jolanta geholfen hat
Die Initiative finanzierte in den 1980ern eine Operation. Jetzt spendete die polnische Familie.
Am 31. Mai 1983 wird in der polnischen Stadt Pila ein kleines Mädchen geboren: Jolanta Maria. Die Eltern Anna und Zbigniew Kaniewski, beide Ärzte, freuen sich über die Geburt der anscheinend gesunden Tochter. Doch schon einen Tag später kommt der Schock — das Kind hat keine durchgehende Speiseröhre. Es kann keine Nahrung zu sich nehmen. In Polen kann diese Fehlbildung damals nicht operiert werden. Nur die Ernährung über eine Magensonde ist möglich. Die Eltern sind verzweifelt, bis Hilfe aus Mönchengladbach kommt.
Heute ist Jolanta Maria eine gesunde junge Frau, hat Germanistik studiert und arbeitet als Assistentin der Geschäftsführung eines Möbelhauses. Dass sie in der Vorweihnachtszeit mit ihren Eltern in den Räumen der Aktion Friedensdorf sitzt und eine Spende übergibt, ist einer Reihe von glücklichen Umständen oder auch wunderbarer Fügung zu verdanken, je nachdem wie man es sehen will.
In den 80er Jahren trennt noch der Eiserne Vorhang Ost- und Westeuropa, aber als Polen 1982 unter einer schweren Wirtschaftskrise zu leiden beginnt, beschließt die Mönchengladbacher Initiative Aktion Friedensdorf, mit Hilfsgütern Unterstützung zu leisten. 1982 und 1983 gehen mehrere Transporte nach Scheidemühl, dem heutigen Pila. Helmut Göbels, einer der Gründer der Initiative, ist selbst bei der Übergabe der Hilfsgüter mit dabei. „Wir hatten Spenden für ein Kinderheim, eine Schule und ein Internat dabei“, erinnert sich Helmut Göbels. „An der DDR-Grenze hatte es Schwierigkeiten gegeben, und wir mussten um Mitternacht beide Lkw komplett entladen. Aber in Pila wurden die Hilfsgüter begeistert entgegengenommen.“ Und so entsteht über die Internatsleiterin der Kontakt zu Jolantas Familie. „Wir wussten damals nicht mehr weiter“, erzählt Zbigniew Kaniewski, Jolantas Vater. „Jola war nur notfallmäßig versorgt worden und wurde über die Magensonde ernährt.“ Die Aktion Friedensdorf nimmt sich des Falls an.
Helmut Göbels kann in Erfahrung bringen, dass in Köln mit Dr. Gharib ein Chirurg arbeitet, der Erfahrung mit und Erfolg in solchen Fällen hat. Die Initiative beschließt, die gesamten Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Schließlich wird in zwei Operationen die Speiseröhre geschlossen.
Dann muss Jolanta das Essen lernen. Sie, die seit ihrer Geburt nicht gegessen und auch nichts geschmeckt hat. „Es war ein Kampf“, sagt ihre Mutter. „Einmal ist ihr noch ein Stück Wurst im Hals steckengeblieben, aber als sie zwei Jahre alt war, war es geschafft.“ Jolanta kann wie ein gesundes Kind aufwachsen.
Für die Behandlung hat die Aktion Friedensdorf mehr als 50 000 Euro aufgebracht, alles aus Spendenmitteln der Gladbacher Unterstützer. Das Ganze hatte damals für Aufsehen und bundesweite Berichterstattung gesorgt, liegt aber mehrere Jahrzehnte zurück.
Umso überraschter ist Helmut Göbels, als die Familie Kaniewski wieder Kontakt aufnimmt. „Ich war sehr verblüfft und erfreut“, sagt Göbels, der daraufhin in seinem Archiv kramte und die gesamte Berichterstattung, Rechnungen und Belege vorfindet. Und am vierten Adventssonntag sitzen alle beieinander und tauschen Erinnerungen aus. Diesmal aber überreicht Familie Kaniewski eine Spende — zur Erinnerung an die geglückte Rettung. Die Spende wurde anlässlich des 60. Geburtstages von Jolantas Vater gesammelt. 2000 Euro sind so zusammengekommen. „Ich habe auch Kollegen auf die Aktion Friedensdorf aufmerksam gemacht, die nun ebenfalls spenden wollen“, erklärt Zbigniew Kaniewski. Damit die Arbeit der Initiative weitergehen kann.