Zornröschen: „Die Opfer schämen sich“
Der Verein gegen sexuellen Missbrauch eröffnet Online-Beratung.
Mönchengladbach. Meist kommen sie, wenn die Missbrauchssituation vorbei ist. "Und dann auf Initiative der Bezugspersonen", sagt Sigrid Mattusch, Sozialarbeiterin bei Zornröschen. 460 Neuanfragen gab es 2009 beim Verein gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen. Er ist der größte am linken Niederrhein.
"Zwei Drittel der Anfragen nach einem Beratungstermin waren fallbezogen", sagt Mattusch. Geht man aber von der Schätzung aus, dass jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge von sexuellen Übergriffen betroffen sind, müssten es viel mehr sein. Auch die Beratungsarbeit, die Mattusch in den Schulen durchführt, hat an den Zahlen nicht grundlegend etwas geändert.
"Die Opfer schämen sich", sagt sie über die Gründe. Da sich sexueller Missbrauch meist in einem vertrauten Umfeld abspielt (in weniger als zehn Prozent der Fälle ist der Täter dem Opfer unbekannt) und auf Dauer angelegt ist, fühlen die Opfer oft eine Mitschuld. Der Täter (rund fünf Prozent sind weiblich) ist meist beliebt, er nutzt die positive Beziehung zum Kind, das Kind schämt sich, weil es "mitgemacht" hat.
Es empfindet das Unrecht des Übergriffs, kann ihn aber schlecht einordnen, wenn es ansonsten scheinbar Gutes vom Täter erfahren hat. "Bis es endlich begreift, dass es dem Erwachsenen nicht um "mich" ging, sondern um die Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse", so Mattusch. Und entgegen lautstarken öffentlichen Forderungen nach der Todesstrafe für Kinderschänder erlebt das Kind oft, dass man ihm nicht glaubt, wenn der Täter aus dem persönlichen Umfeld kommt, ihn so vor jeglicher Konsequenz schützt und ihm sogar ermöglicht, weiter zu machen.
Nun versucht Zornröschen über eine Online-Beratung, an Jugendliche heranzukommen. "Schon jetzt machen Jugendliche Termine bei der Beratungsstelle meist über E-Mail", so Petra Mensing, die die Chat-Beratung übernehmen wird. Über die Homepage kann man sich mit Nickname und Passwort anmelden. "Das kennen die Kinder", so Mattusch. "Für Kinder über zehn Jahren gehört das Internet zum Leben", so Mattusch.
Um die Klienten wirklich zu schützen, erfolge die Datenübermittlung nach den gleichen Sicherheitsstandards vor sich wie beim Online-Banking. "Sie müssen sich nicht persönlich zeigen", zählt Mensing die Gründe auf, die aus Sicht der Jugenlichen für diese Beratungsform sprechen, "sie können jederzeit rausgehen und auf Knopfdruck unterbrechen. Sie behalten die Kontrolle." Nach der Erfahrung anderer Beratungseinrichtungen kommen auch solche Jugendliche, deren Missbrauch noch andauert.