Buch über Maler Carl Lauterbach Ein Held mit Schattenseiten

Düsseldorf · Der junge Kunsthistoriker Lukas Bächer rückt das Leben des Malers und Kunstsammlers Carl Lauterbach in ein neues Licht. „Inventur einer Biografie“ untersucht vor allem, wie Lauterbach sich in der Zeit des Nationalsozialismus positionierte.

Carl Lauterbach und das Stadtmuseum verbindet eine lange, vielfach verworrene Geschichte miteinander, die erst jetzt mit der Veröffentlichung von Lukas Bächer im Droste-Verlag erhellt wird. Der junge Kunsthistoriker wertete eineinhalb Regalmeter Tagebücher des Künstlers und Archivars aus. Sein Fazit: Der zum Widerständler stilisierte Lauterbach (1906-1991) war ein Mensch voller Widersprüche.

1982 hatte die Stadt Düsseldorf das Archiv Lauterbach in Hunderten von Kisten erworben. Der Kunstwissenschaftler Werner Alberg hätte es erschließen sollen, erläutert Bächer. Albergs Buch über den Maler und Sammler sei aber fehlerhaft gewesen; es wurde später zurück genommen. Bis heute bleiben Wichtiges und Unwichtiges im Archiv zusammengewürfelt, notiert Bächer. Auch die Bibliothek ist nicht erfasst.

Bächer nennt seine Analyse „Inventur einer Biografie“ und nimmt keinerlei Rücksicht auf die museumseigenen Forschungen. Er beginnt mit einem „Faktenscheck der Fehler und Halbwahrheiten“. Hatte Lauterbach doch im Lichte der neuen Forschung eine blühende Fantasie, wenn es darum ging, sich als Verfolgten darzustellen. Eher galt er als Drückeberger, der den Kriegsdienst umging, weshalb er später nicht rehabilitiert wurde. Für Bächer ist er kein Held, eher ein „typisches Kind seiner Zeit“, das es verstand, sich mit mehr als 40 Ausstellungen in der NS-Zeit geschickt „durchzulavieren“ – zwar kein Befürworter der neuen Nazi-Ordnung, aber schwankend aufgrund seiner prekären Lebensverhältnisse. Er hielt sich nicht an den Arierparagraphen, war ein Freund des später ermordeten Juden Julo Levin, aber entzog sich kritischen Fragen durch Blümchenbilder.

Ein Aufstieg vom unauffälligen Künstler zum vermeintlich politisch Verfolgten gelang ihm 1946 mit einer Gedenkstunde im Hetjens-Museum für seine ermordeten Freunde Julo Levin, Peter Ludwigs und Franz Monjau. Das Material zur Rede bekam er von den Witwen Monjau und Ludwigs und verarbeitete es so perfekt, als habe er es miterlebt. Dabei stilisierte er sich selbst zum Widerständler. Seine Rede wurde in der Mitgliederzeitung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes abgedruckt, wo neben Verfolgten auch der Direktor des Reichswirtschaftsmuseums Volk und Arbeit saß. Lauterbach wurde 1946 als „politisch Geschädigter“ anerkannt und erhielt 1950 ein öffentlich gefördertes Atelier in der Sittarder Straße in Düsseldorf.

Bächers Buch ist voller Ironie, ist er doch wie ein Kriminalbeamter Geschichtsfälschungen und Reinwaschungen nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Spur. Die Rheinische Sezession, die ihre Mitglieder einst den Arierparagraphen unterschreiben ließ, betrieb nun den „Mythos der Schicksalsgemeinschaft“. Ewald Mataré stieß beim Versuch, das Kollegium der Kunstakademie von belastenden Professoren wie Joseph Enseling und Joseph Mages zu befreien, auf erbitterten Widerstand. Otto Pankok habe schließlich in Hagen beim Westdeutschen Künstlerbund mit „Gottbegnadeten“ an einem Tisch gesessen.

Lauterbach stand den Nationalsozialisten innerlich kritisch gegenüber, war jedoch stets bemüht, sich zu arrangieren, analysiert Bächer. So diente ihm seine „Ghettomappe“ als Zeugnis der Aufrichtigkeit und Schuldabwehr. Der Kunsthistoriker kommentiert dieses Phänomen mit den Worten: „Die Deutschen fühlten sich eben als Opfer der Nazis. Lauterbach liebte die Ablenkung und nicht die Konfrontation mit der jüngsten Vergangenheit.“

Aber Lauterbach behauptete offenbar auch Dinge, die einer Überprüfung nicht standhielten, sprach von Durchsuchungen seines Ateliers durch die Gestapo, wo tatsächlich nur Bedienstete des Wohlfahrtsamts kontrollierten. Er schenkte dem Stadtmuseum eine Väterchen-Frost-Puppe aus Watte, die ihm ein Vorarbeiter der Zwangsarbeiter überreicht hatte, behauptete aber, er habe sie von russischen Arbeitern für seine guten Gaben erhalten. In unzähligen Beispielen geht das Buch über das Persönliche hinaus und wirft einen neuen Blick auf die rheinische Kunstszene im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit.

Info Lukas Bächer wohnt in Tübingen und schreibt an seiner Doktorarbeit. Sein Buch „Carl Lauterbach, Inventur einer Biographie“ erschien in der Schriftenreihe Stadtmuseum, Verlag Droste, 188 Seiten, 79 Abbildungen, 25 Euro.

(HM/ saja)