Sorgen wegen neuer Passfoto-Regelung Neusser Fotostudios rechnen mit Pleite

Neuss · Passfotos gibt es bald nur noch digital. Die Stadt Neuss nimmt die bundesweite Umstellung zum Anlass, eigene Geräte im Rathaus aufzustellen. Fotostudios bangen deshalb um ihre Existenz und zeigen sich wütend.

Khashayar Hassani führt seit rund zehn Jahren sein Fotostudio in Rathaus-Nähe. Nun rechnet er mit einem baldigen Ende.

Foto: Simon Janßen

Mit ernstem Blick steht Khashayar Hassani in seinem wenige Quadratmeter großen Ladenlokal und versucht gar nicht erst, die Situation zu beschönigen. „Wir rechnen damit, dass wir Pleite gehen werden“, sagt der Inhaber des kleinen Fotostudios, das nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt liegt. Nach eigenen Angaben handelt es sich um den ältesten noch aktiven Fotoladen in Neuss. Der Grund für die Sorgen des Betreibers, der dort seit rund zehn Jahren hinter der Theke steht: Um einen neuen Reisepass oder Personalausweis zu beantragen, genügt es ab dem 1. Mai, ein digitales Passfoto zu übermitteln. Ende April hat das biometrische Passfoto auf Papier in deutschen Behörden somit ausgedient – allerdings wird es noch eine Übergangsfrist bis zum 31. Juli geben. „Passfotos sind unser Kerngeschäft“, sagt Hassani. Er hat sich zwar bereits ein Gerät bestellt, mit dem die Fotos auf digitalem Wege übertragen werden können, dies wird allerdings auch bald im Rathaus möglich sein. „Und wer kommt dann noch zu uns?“, fragt Hassani, der für vier ausgedruckte Passfotos 19 Euro nimmt.

Stadt wartet auf Ankunft
der Geräte im Rathaus

Was geschieht künftig mit den Selbsbedienungs-Automaten wie zum Beispiel am Neusser Hauptbahnhof?

Foto: Simon Janßen

Die Stadt bestätigt auf Nachfrage, dass eigene Geräte bei der Bundesdruckerei in Berlin bestellt wurden. Heißt: Anders als bislang müssen Bürger das Rathaus gar nicht mehr verlassen, um beim Behördenbesuch an ihre Bilder zu kommen. „Wie viele andere Kommunen wartet Neuss jedoch noch auf die Lieferung“, so Sprecher Marc Bohn. Das Innenministerium habe deshalb auf die Lieferschwierigkeiten reagiert und den Behörden im Übergangszeitraum die Möglichkeit eingeräumt, weiterhin auch Papierbilder zu akzeptieren. „Das Bürgeramt Neuss wird von dieser Übergangsregelung selbstverständlich Gebrauch machen, bis die neuen Geräte zur Verfügung stehen“, so Bohn. Sobald die Technik vor Ort installiert ist, sollen dann auch in Neuss ausschließlich digitale Lichtbilder angenommen werden. Bestellt wurden insgesamt zehn Geräte, die am jeweiligen Arbeitsplatz postiert werden sollen und vom Personal bei der Beantragung bedient werden. Kostenpunkt: sechs Euro pro Lichtbild. Die Stadt entschied sich für das Rathaus und somit gegen eine zweite mögliche Variante – Automaten, die der Bürger quasi „selbst bedienen“ kann und die grundsätzlich zum Beispiel im Foyer stehen könnten. Diese sollen allerdings in den Bürgerämtern in Norf und Holzheim zum Einsatz kommen, wo jeweils ein Gerät bestellt und im Wartebereich abgestellt werden soll. Kurios: Allerdings muss laut Vorgaben auch dort ein Mitarbeiter vor Ort sein, um die Automaten zu bedienen.

Fotostudios können die digitalen Bilder ins Rathaus senden

Die Verwaltung betont allerdings, dass die Bilder natürlich auch weiterhin bei Fotografen aufgenommen werden können. Nach der Aufnahme erhalten die Bürger einen QR- oder Barcode, den sie zur Antragstellung in die Behörde mitbringen. Das Bild wird dort dann digital abgerufen. Auch der Drogeriemarktriese dm hat angekündigt, künftig digitale Lichtbilder bereitzustellen.

Neue Angebote, die auch Andreas Knoblauch als Existenzbedrohung seiner Branche ansieht. Der Inhaber von „City-Foto“, das ebenfalls am Rathaus zu finden ist, zeigt sich vor allem von der Stadt enttäuscht. „Sie ist nicht verpflichtet, eigene Geräte aufzustellen, andere Kommunen verzichten darauf, um die Fotostudios in der Stadt nicht zu gefährden“, sagt Knoblauch, der hinzufügt: „Man rammt uns ein Messer in den Rücken.“ Ein weiteres Ärgernis: Aufgrund der angekündigten Passfoto-Umstellung habe er jüngst einen Mitarbeiter entlassen müssen. Der Grund: Der Fotograf muss sich für jedes aufzunehmende Passfoto ausweisen – und der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund besaß lediglich eine Aufenthaltsbescheinigung. „So viel zum Thema Integration“, so Knoblauch, der sich deshalb bereits „mit einer bitterbösen Beschwerde“ ans Bundesministerium des Innern und für Heimat gewandt hat.

Doch was steckt eigentlich genau hinter der Umstellung? Digitale Passbilder sollen den Antrag vor allem schneller und einheitlicher machen. Außerdem sind sie sicherer: So kann das Bild nicht gefälscht oder verändert werden - etwa durch sogenanntes Morphing, bei dem Gesichter mehrerer Personen zu einem Bild verschmolzen werden. Das könnte zu Missbrauch führen. Durch die direkte Übertragung an die Behörde wird das verhindert.