Landesvorstand NRW-Vorstand nominiert Walter-Borjans für SPD-Bundesvorsitz
Dortmund · Die NRW-SPD hat auf dem letzten Meter noch einen starken Kandidaten für den SPD-Bundesvorsitz aus dem Hut gezaubert. Ex-NRW-Finanzminister Walter-Borjans wird ins Rennen geschickt. Der gesamte Landesvorstand stellte sich hinter ihn.
Der mitgliederstärkste SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen hat den ehemaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans als Kandidaten für den SPD-Bundesvorsitz nominiert. Der fast 40-köpfige Landesvorstand unterstützte am Freitagabend in Dortmund einstimmig die Bewerbung von Walter-Borjans und dessen Tandempartnerin, der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken aus Baden-Württemberg. Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist können Walter-Borjans und Esken nun in das Bewerberrennen um die Nachfolge von Andrea Nahles ziehen.
„Das ist ein Team, von dem wir sagen: Es kann die Partei führen“, sagte NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann. „Jetzt schlägt die Stunde der Basis.“ Mit Ex-Landesfamilienministerin Christina Kampmann und dem Kölner Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach gibt es weitere zwei Kandidaten aus NRW, die sich jeweils mit einem Tandempartner bewerben. Lauterbach und Kampmann hatten sich frühzeitig die Unterstützung von Unterbezirken geholt. Walter-Borjans warf seinen Hut erst kürzlich in den Ring.
Lauterbach kritisierte das Nominierungsverfahren in der NRW-SPD. „Ein basisdemokratisches Verfahren bedeutet nicht, dass es Spezialkandidaten des Landesvorstands gibt.“ Kampmann sagte, die Zeiten, in denen die Basis den Entscheidungen des Landesvorstandes folge, „sind vorbei“.
Eine formelle Wahlempfehlung für einen der Kandidaten sprach der NRW-Vorstand zwar nicht aus, aber die Parteispitze machte ihre Präferenz für Walter-Borjans deutlich. „Alle Kandidaten haben Unterstützung bekommen“, sagte NRW-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty. Mit Walter-Borjans und Esken habe man aber „zwei hervorragende Kandidaten“.
Der 66-jährige Walter-Borjans hatte sich bundesweit einen Namen durch seinen Kampf gegen Steuerflucht ins Ausland und den Ankauf von elf Steuer-CDs gemacht, die dem Fiskus mehrere Milliarden Euro einspielten.
Als wahrscheinlich galt in der Bundes-SPD zuletzt, dass acht Kandidatenduos für die Nachfolge von Andrea Nahles antreten. Unter ihnen sind Vizekanzler Olaf Scholz mit der Brandenburger Landtagsabgeordneten Klara Geywitz sowie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius mit Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping und SPD-Bundesvize Ralf Stegner mit Gesine Schwan.
Die Kandidaten stellen sich in 23 Regionalkonferenzen ab Mitte kommender Woche der Basis vor. Ab Mitte Oktober sollen die SPD-Mitglieder dann über die künftige Spitze abstimmen. Formell abgeschlossen wird das Wahlverfahren für den SPD-Bundesvorsitz Anfang Dezember mit einem Parteitag in Berlin.
Walter-Borjans sprach sich für eine Abkehr des Hartz-IV-Systems aus. Die Nebenwirkungen von Hartz IV seien „so dramatisch, dass dringend eine Abkehr oder Korrektur erforderlich ist“. „Die Menschen nehmen uns die Sozialdemokratie zurzeit nicht mehr ab.“ Esken sagte: „Die SPD hat sich ein Stück weit von ihrem Markenkern entfernt.“ Beide übten scharfe Kritik an der großen Koalition. „Wir sind uns einig, dass die GroKo keine Grundlage dafür ist, dass die Menschen das Vertrauen in sozialdemokratische Politik zurückgewinnen“, sagte Walter-Borjans. Zu einem möglichen vorzeitigen Aus müssten die SPD-Mitglieder befragt werden.
Kurz vor dem Ende der Bewerbungsfrist sorgte der Satiriker Jan Böhmermann mit seiner Ankündigung einer Kandidatur für Aufregung. Böhmermann ist bislang kein Parteimitglied. NRW-SPD-Chef Hartmann antwortete auf die Frage, ob Böhmermann Chancen habe, an dem Auswahlverfahren noch teilnehmen zu können, mit einem entschiedenen „Nein“. Er lud Böhmermann aber ein, der SPD beizutreten und sich noch an der Abstimmung über den künftigen Bundesvorsitz zu beteiligen.