Serie So hart trainiert Feuerwehrsportler Martin Brieden
Der deutsche Meister im Feuerwehrsport Martin Brieden fährt bald zur Weltmeisterschaft nach Kanada. WZ-Mitarbeiter Janis Beenen will gerne dabei sein. Vorher muss er aber die Einheit mit einem Mann überstehen, der Verschnaufpausen hasst.
„Ich hoffe, du weißt, worauf du dich da einlässt.“ „Das wird kein Spaß.“ „Es wird anstrengend.“ Ich kann Krefelds Sportler des Jahres, Martin Brieden, sicher nicht vorwerfen, dass er mich nicht vor seinem Training gewarnt hat. Im Gegenteil: Mit dem Nachdruck einer Mutter, die will, dass ihr Jüngster endlich die Winterjacke aus dem Schrank holt, hat der muskelbepackte Feuerwehrsportler auf mich eingeredet. Völlig egal – Ich möchte eine Einheit mit dem 36-Jährigen absolvieren. Schließlich fliegt der mehrfache deutsche Meister in wenigen Tagen zur Feuerwehrsport-Weltmeisterschaft nach Kanada. Zu gerne wäre ich dabei, um den Krefelder Doppelsieg zu holen. In seinen Wettkämpfen simuliert Brieden reale Situationen eines Feuerwehreinsatzes. Auf Zeit rennt er Treppen hoch und schleppt Patientendummys. Alles in voller Montur.
In einem Fitnessstudio am Gahlingspfad bleiben Brieden und sein Trainer Marcel Engel zumindest bei Sporthose und T-Shirt. In einer stickig warmen Halle üben sie. Ich komme im Trikot von Schalke 04: Wie soll ein Laie besser mit einem deutschen Meister mithalten als im Dress des deutschen Meisters von 1958? „Passt wie Faust aufs Auge“, sagt Brieden und lacht herzlich.
Ich erwarte, dass wir gleich Gewichte stemmen werden. Doch Engel legt erstmal die Koordinationsleiter aus. Schnell verstehe ich, warum sich Kreisligafußballer so vor den kleinen Kästchen am Boden fürchten. Möglichst schnell gilt es, Schrittfolgen abzuarbeiten. Während ich kaum auf Touren komme, ohne eine Choreografie zu vermasseln, spult Brieden wie eine Nähmaschine einen Lauf nach dem anderen ab. Es gehe bei diesen Aufgaben um die Aktivierungs– und Beweglichkeitsroutine, sagt Trainer Engel. Möglichst schnell Kraftübungen abzureißen, reiche für einen Feuerwehrsportler nicht aus.
Während der Einheit dröhnen im Hintergrund aus der Box Techno-Beats. Die schnelle Musik helfe ihm, sich zu pushen, sagt Brieden. Zu Hause mag er es dann ruhiger? „Da höre ich Metal“, sagt Brieden und grinst. Der Trainer bittet zur nächsten Übung, Brieden ist wieder fokussiert. Kumpeltyp und Kämpfer, der Mann kann beides. Engel reicht uns eine Art Klettergeschirr. Tatsächlich handelt es sich um einen Gürtel, der über Gummizüge mit Armen und Beinen verbunden wird. So wird es viel schwieriger, die Gliedmaßen abzustrecken. Für mich wäre es Sport genug, so zehn Minuten zu stehen. Doch unsere Aufgabe ist es, damit Gewichte zu stemmen sowie kiloschwere Bälle aufzuheben und gegen die Wand zu schmeißen.
Brieden ackert, ohne zu stöhnen. Mir tropft der Schweiß von der Stirn und der Trainer ermahnt. „Stolze Brust“, fordert er immer wieder. Die Brust soll raus für mehr Körperspannung. Während ich japse, triezt mich Brieden, weiter zu machen. Im Wettkampf helfe es ihm tatsächlich, Kontrahenten leiden zu sehen. Motivation über die Demotivation der Konkurrenz. Plötzlich passiert das Unerwartete. Der Trainer korrigiert nicht mich, sondern Brieden. Er soll seine Fersen auf der Erde lassen, während er Gewichte vom Boden in die Luft wuchtet. Ha, der feine Herr Profi macht also auch nicht alles perfekt! Für einen Moment verstehe ich Briedens Motivationskonzept.
Nach gut eineinhalb Stunden erinnert beim Feuerwehrsport erstmals etwas an die Feuerwehr. Ein 20 Kilo schwerer, aufgerollter Löschschlauch liegt auf dem Boden. Die Grundidee klingt einfach: Das Ding auf die Schulter schmeißen und rennen. Doch so schnell geht es nicht. Da er entsprechend der kanadischen Regeln trainiere, dürfe er vor dem Start schon die Hände an den Schlauch legen, sagt Brieden. Solche Details würden zu seinem Sport gehören. Brieden gefällt es, sich unter höchster Anstrengung auf Feinheiten zu konzentrieren. Bei Brieden sieht die Schlauch-Übung locker aus. Er hebt hoch und läuft immer wieder, als sei das nur der Spaziergang zum Bäcker am Sonntagmorgen. Meine Versuche fühlen sich heldenhaft an. Tatsächlich stolpere ich eher, als zu sprinten.
Ein paar Mal probiere ich es und denke an den Feierabend. Der richtige Teil komme jetzt erst, sagt Brieden: die Simulation des Wettkampfs. Am liebsten möchte der Athlet ohne Pause weitermachen. Die hasse er. Ein, zwei Schützlinge vom Format Brieden betreue er noch, sagt Trainer Engel. Aber der 36-Jährige sei schon ein besonderer Sportler. Als Brieden die Unterbrechung zu lange dauert, ruft er: „Weiter, ich erwarte Weihnachten noch Besuch.“
In der Wettkampfsimulation trägt Brieden unter anderem schwere Bälle auf dem Arm, während sein Rumpf über ein Seil mit einem 175 Kilo schweren Schlitten verbunden ist. Den muss er beim Rückwärtslaufen mitziehen. Zwischendurch geht es immer wieder auf ein Spezialtrimmrad. Der Fahrer muss dort die Arme im Rhythmus mitbewegen. Das solle den Lauf in einem Turm nachstellen, sagt Engel. Ein richtiges Treppenhaus zum Üben fehle ihnen in Krefeld. Auf dem Gerät ist selbst Brieden still und angestrengt.
Irgendwie überstehe ich den Wahnsinn
Nachdem Brieden alles vorgemacht hat, bin ich an der Reihe. Das Rad ist eine Qual, die Muskeln brennen. Doch Brieden treibt mich an, wie Radsportfans die Fahrer am Berg Col du Tourmalet. „Zieh, da ist noch was drin“, brüllt Brieden. „Kräftig, kräftig, kräftig.“ Irgendwie überstehe ich den Wahnsinn dank seiner Hilfe. Nach kurzer Pause soll ich noch eine Runde absolvieren. Doch es geht nicht mehr. Zum ersten Mal bei unserer Serie Training mit den Profis gebe ich auf. Brieden will motivieren. Er habe erstklassige Kontakte zu Krefelder Rettungskräften, sagt der Feuerwehrmann. Doch selbst das ist keine Perspektive. Den Traum von der WM möchte ich nach harter Arbeit trotzdem nicht aufgeben. Ob Brieden mich nach Kanada mitnimmt? Es sei schön, dass er zu einem Einzelwettkampf fahre, sagt Brieden und lacht. Zumindest den Start in einer Staffel traue er mir zu. Na also: Kanada, wir kommen!