Nur intellektuelles Wortgeklingel

Zu: Baron Brock

 Der deutsche Philosoph und Aktionskünstler Bazon Brock wurde am 2. Juni dieses Jahres 85 Jahre alt.

Der deutsche Philosoph und Aktionskünstler Bazon Brock wurde am 2. Juni dieses Jahres 85 Jahre alt.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der wortgewaltige Professor arbeitet mit einem alten rhetorischen Trick: Man eröffnet mit einer Scheinalternative, um sich dann, für alle nachvollziehbar, für die „richtige“ der beiden Seiten entscheiden zu können. Hoffen oder reale Veränderung? Die Antwort scheint schon in der Frage zu liegen. Eine Folgerung, die nicht neu ist und schon zu biblischer Zeit mutmaßlich einen Judas bewegt hat, Jesus zu verraten. Es waren nicht die Silberlinge der Herrschenden, die ihn dazu gebracht haben. Es war vermutlich enttäuschte Hoffnung, ausgebliebene Revolution, mangelnde Begeisterung des Nazareners für Gewalt. Hoffen oder reale Veränderung?

Brecht greift diese Alternative in „Mutter Courage“ auf. Beten oder die Stadt retten? Brock bleibt in dieser Alternative stecken, stellt Luther mal eben in die Reihe der machtgeleiteten Unterdrücker revolutionärer Kräfte, typisch Kirche eben. Aber er übersieht, dass es damals um nicht weniger ging als um die Gefahr, dass die Reformation sich radikalisieren könnte. Religiöse Erneuerung mit dem Mittel der Gewalt? Der Vergleich der unterdrückten Bauern mit den „modernen Mietsklaven“ geht in Ordnung. Aber treffender wäre der Vergleich mit den G20-Protestlern in Hamburg gewesen. Politische und ökologische Erneuerung mit dem ewig gestrigen Mittel der Gewalt?

Brock stellt sich den Gegner hin, wie er ihn braucht, wirft glaubensvergessene Weihnachtsidiotie in einen Topf mit Kirche und Theologie und macht es sich damit leicht. Er hätte sich Sparringspartner von anderem Kaliber suchen müssen, wollte er ernst genommen werden: Paulo Freire und die südamerikanische Befreiungstheologie, Rainer Albertz, Jürgen Moltmann, Ernst Bloch, Hans Küng, Eugen Drewermann. Dann hätte er zeigen können, dass Hoffen und Veränderung eben keine Alternativen sind, sondern dass sie in einem Verhältnis zueinander stehen. Dass Hoffnung keine Narretei, sondern die Bedingung einer Möglichkeit ist: der Möglichkeit, sich handelnd und verändernd mit der Welt auseinanderzusetzen. So aber bleibt der Artikel intellektuelles Wortgeklingel. Schade.

 

Klaus Harms, per Mail

Es hat mich beeindruckt, wie Professor Bazon Brock sich, beinahe verzweifelt, bemüht, Advent und Weihnachten zu retten, indem er es mit neuen Impulsen aufwerten möchte. Weihnachten möge zu einem „universalen Festtag for Future“ werden, „ein Weltfest der Geburt der neuen Generationen“. Ein interessanter Ansatz, wenn Brock sich dabei auf die Geburt eines gewissen Kindes in einem miesen Stall am Rande der Welt berufen hätte.

Aber so weit, so christlich, will er sich wohl nicht öffentlich festlegen, wie viele nicht mehr. Ich wäre eventuell seinen Ansatz mitgegangen, aber nicht in Gestalt einer aus dem Hut gezauberten Utopie. Nachdenklich macht seine Kritik an „Christen und Theologen“, die der kommerziellen Entleerung des Weihnachtsfestes ziemlich hilflos gegenüberstehen.

Ich erinnere an das Vokabular des Stuttgarter Schuldbekenntnisses von 1945: „mutiger bekennen – treuer beten – fröhlicher glauben – brennender lieben“. Diese christlichen Werte gehören zur immerwährenden corporate identity von Kirche. Dem Krippenkind würde es gefallen.

Der da im Advent großartig erwartet wird und zu Weihnachten überraschenderweise als schutzbedürftiges Kind in einem dunklen Stall das Licht anknipst, damit wir, frei nach Bertolt Brecht, auch die sehen, die im Dunkeln sitzen, das wäre doch ein konkreter substantieller Ansatz, verehrter Herr Professor.

Übrigens, Martin Luther einen „Rückzug in den kleinbürgerlichen Mief der Gemütlichkeitsarenen“ anzuhängen, geht sachlich gar nicht und grenzt an Verunglimpfung. Bei allem schlimmen Versagen hat Luther die Neuzeit und die Freiheit der Wissenschaften eingeläutet, ja und auch Gerechtigkeit für den „Kleinen Mann“ eingefordert.

Nebenbei bemerkt ist die Adelung von Thomas Müntzer als dem sozusagen besseren Luther geschichtlich nicht haltbar. Müntzer bleibt wichtig, aber bitte ohne Verdrängung seiner Schattenseiten, die vor böser Hetze, Sektiererei und Mord nicht zurückschreckt.

Nichtsdestotrotz danke ich Ihnen sehr, Herr Prof. Brock, dass Sie sich überhaupt des Themas Advent und Weihnachten annehmen.

Eckehard Fröhmelt, per Mail