Großartiges Konzert in der Tonhalle Ein Goldfisch namens Trifonov

Düsseldorf · Das beste Orchester Italiens und der grandiose russische Pianist Daniil Trifonov schenkten der Tonhalle den klassischen Geist Mozarts und Beethovens.

Der russische Pianist Daniil Trifonov.

Foto: Dario Acosta/Heinersdorff

In diesen Zeiten sind Trickreichtum und Improvisationsgabe dringend vonnöten – nicht um eine Verordnung zu umgehen, sondern um das Unmögliche möglich zu machen. So war es jetzt auch beim sehnsüchtig erwarteten Gastkonzert des Orchestra dell’Accademia di Santa Cecilia aus Rom. Italiens bestes Orchester sollte im Heinersdorff-Konzert in der Tonhalle auftreten, doch die römischen Behörden hatten Probleme mit dessen Ausreise – die Musiker wollten ja ins Hochrisikoland Deutschland reisen.

Also Plan B: Chefdirigent Antonio Pappano und Heinersdorff-Geschäftsführer Burkhard Glashoff ermittelten ein neues Programm und verschlankten die Besetzung: die fett spätromantische Symphonie Nr. 1 e-Moll von Sibelius und Brahms‘ Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll raus, Mozarts „Jeunehomme“-Klavierkonzert und Beethovens tänzerisch-ekstatische Siebte in A-Dur rein. Das Orchester mietete eine Chartermaschine und verpflichtete sich, dass die Musiker nur im Hotel essen und überdies ein strenges Hygienekonzept befolgen würden. Und spielen würden sie mit Maske – Bläser ausgenommen. Die Behörden stimmten zu, das Orchester durfte ausreisen.

Der doppelte Tausch war alles andere als ein Nachteil. Antonio Pappano ist gewiss kein Kostverächter – er könnte auch einen Beethoven nach Sibelius klingen lassen, wenn er das wollte. Aber diese Siebte hat in seiner Interpretation wahrhaft klassischen Schliff, was keine Domestizierung bedeutet, im Gegenteil: Vor allem im Scherzo und im Finale klingt sie nach den ausgelassenen Saturnalien der alten Römer, wenn auch ohne den Konsum schweren Falerner-Weins.

Das Orchester musiziert straff, aber nicht stramm; Pappano sorgt dafür, dass bei allem Brio das Melodische nicht flöten geht. Die römischen Streicher legen sich ins Zeug, und die Holzbläser huldigen dem Gott des Lyrischen. Inmitten aller Turbulenz ein geradezu totenbleicher langsamer, aber nicht schleppender Satz, mit der faszinierenden und durchaus gewaltigen Atmosphäre einer Trauerprozession. Das Finale fliegt einem um die Ohren. Von diesem Abend an könnte man Beethoven Siebte seine „Italienische“ nennen.

Vor der Pause gibt es die Begegnung mit einem Ausnahme-Pianisten: dem Russen Daniil Trifonov. Wir haben ihn fasziniert schon mit Chopin, Skrjabin und Liszt gehört, neulich schenkte er der staunenden Musikwelt eine persönliche Platte mit lauter Kleinigkeiten der Familie Bach; die CD rief die Illusion eines in die Romantik transferierten Cembalos oder eines erwachten Hammerklaviers hervor. Und nun spielt er also Mozart: das „Jeunehomme“-Konzert Nr. 9 in Es-Dur KV 271. Eigentlich heißt es ja „Jenamy“-Konzert, benannt nach einer virtuosen Pianistin aus Mozarts Freundeskreis.

Trifonovs Mozart ist kein Blitzlichtgewitter, keine brillante Demonstration. Was es hier an Geläufigkeit vorzuführen gibt, das erledigt der Pianist eher nebenbei. Trifonov gelingt es, die verspielte Gelassenheit des Werks mit einer Art seriöser Erhabenheit zu überwölben, als sei es kein frühes, sondern ein reifes Werk Mozarts, sozusagen mehrere Hundert Nummern später im Köchel-Verzeichnis positioniert.

Dieses famose, in jungen Jahren bereits geläuterte Klavierspiel scheint an den größten Meistern geschult; ergreifend, wie sich Trifonov im langsamen c-Moll-Satz, einsam seine Bahnen ziehend, an Mozarts Traurigkeit verliert. Wie schön und passend, dass er als Zugabe Carl Philipp Emanuel Bachs c-Moll-Rondo wählt, das ja in unbekannte Ausdruckszonen hineinlauscht.

Pappano, der selbst ein glänzender Pianist ist, legt Mozarts Orchesterpart als die spannende Landschaft eines Aquariums an, in dem ein Goldfisch namens Trifonov schwimmt. In einem solch exquisit ausgeleuchteten Szenario finden sämtliche toten und lebenden Beteiligten aus Rom, Wien, Moskau und Salzburg in Düsseldorf beispielhaft zusammen.

Das Resultat: dankbarster Beifall.