Das Firmenschild am Zaun kündigt einen Handel mit Bauprodukten an, im Hof lagern palettenweise Kanister und Rohre. Doch in der großen Halle im Lierenfelder Gewerbegebiet ging es um andere Waren. Zwei Tabaklager, eine Trocknungsmaschine, eine Stopfstraße, ein Stromgenerator, eine Lüftungsanlage, Verpackungsmaterial und ein Lkw für den Transport standen bereit – eine mutmaßlich illegale Zigarettenfabrik haben Zollfahnder hier am Dienstagmorgen ausgehoben.
Seit einem Jahr ermitteln die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und das Zollfahndungsamt Essen gegen eine Gruppe, die im Verdacht steht, im großen Stil illegal Zigaretten herzustellen. Die Produktionsstätte in Lierenfeld sei hoch professionalisiert und habe „industrielles Ausmaß“, sagte Heike Sennewald von der Zollfahndung Essen. „Das sind keine Einzeltäter, die im Keller ein paar Zigaretten stopfen.“
Elf Personen wurden in
Düsseldorf festgenommen
Meist stecke Organisierte Kriminalität hinter solchen Fabriken. Die Täter hätten hohe Investitionskosten in die Anlagen, ein Schattengeschäft und eine ausgeklügelte Logistikkette, um die Zigaretten ins Ausland zu schaffen. Laut Zollfahndungsamt Essen und Staatsanwaltschaft Düsseldorf wurden 14 Objekte im Rheinland, in der Städteregion Aachen und in Niedersachsen durchsucht. Insgesamt zwölf Personen wurden festgenommen, elf davon in Düsseldorf.
Die festgenommenen Personen sollen nun verhört und dann gegebenenfalls einem Haftrichter vorgeführt werden. Es ist möglich, dass es sich bei den elf Personen in Düsseldorf um Arbeiter handelte, die auch in der Halle gelebt haben. So fanden die Zollfahnder dort auch Schlafräume vor, heißt es.
Wie viele Zigaretten in der Halle am Tichauer Weg produziert wurden, lässt sich bislang noch nicht sagen. Der Tagesausstoß müsse berechnet werden, sagt Heike Sennewald. Ihre Schätzung: Zehntausende, wenn nicht sogar mehr als hunderttausend Zigaretten könnten hier jeden Tag produziert worden sein. Ein großer, neben der Halle geparkter Lkw und weitere Fahrzeuge sollen laut Zoll-Beamten für den Transport der Zigaretten genutzt worden sein. Ein Zollmitarbeiter vor Ort schätzte, dass allein mit dem großen Lastwagen, der ein Bremer Kennzeichen hat, ungefähr zehn Millionen Zigaretten transportiert werden können.
Ein lohnendes Geschäft, wie die Zollfahnder sagen. Zigaretten werden in Europa unterschiedlich hoch besteuert. Bei vorherigen Razzien in Radevormwald und Velbert wurden die Tabakwaren illegal nach Großbritannien exportiert, sagt die Zollsprecherin. Dort sind Zigaretten so teuer wie in kaum einem anderen europäischen Land, eine Schachtel kostet rund 16 Euro. „Wenn man sich diese Preise anschaut, weiß man, dass sich das lohnt“, sagt Sennewald.
Die kriminaltechnische Untersuchung lief am Morgen in der Halle, danach sollten Experten die Anlage begutachten. Anschließend werde der Zoll die Produktionsstätte durchsuchen. Um den Schaden zu bemessen, müsse jede einzelne Zigarette gezählt werden, sagt Sennewald. Zuletzt würde die gesamte Anlage abgebaut. Dafür hat der Zoll Unterstützung, unter anderem von der Bundespolizei und dem Technischen Hilfswerk. Der Einsatz wird voraussichtlich mehrere Tage dauern, sagt Sennewald. Die Einsatzkräfte betreten die Halle nur mit Mundschutz, da so viel Tabakstaub in der Luft liegt.
Die Nachbarn in dem Gewerbegebiet verfolgten interessiert das Geschehen am Dienstagmorgen. Überall parkten Zoll-Fahrzeuge, Beamte gingen ein uns aus. An der Posener Straße unterhalten sich zwei Lkw-Fahrer über den Einsatz. Sascha Kramer und Muntaser Terkawi sagen, sie hätten von dem Betrieb ihrer kriminellen Nachbarn nichts mitbekommen.
Dass in der Halle am Tichauer Weg offenbar illegale Zigaretten vom Band liefen, sollte von außen nicht sichtbar sein. Am Zaun und an der Halle hängen Firmenschilder. Auf denen sind jene Kunststoffrohre, Wassertanks und Kanister zu sehen, die auch im Innenhof lagern. Ob diese lediglich als Tarnung für eine Schattenfirma dienten, ist noch nicht ganz klar. Doch die Zigarettenproduktion füllte an diesem Standort jeden Winkel der Halle, sagte Heike Sennewald.
Die Zollfahnder und die Staatsanwaltschaft ermitteln bereits seit April 2024 gegen die Tätergruppe. Sie wird verdächtigt, bandenmäßig Steuern in großem Ausmaß hinterzogen und eine mutmaßlich illegale Herstellungsanlage für unversteuerte gefälschte Zigaretten betrieben zu haben, heißt es. Zudem bestehe der Verdacht der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei durch den Verkauf auf dem deutschen und europäischen Schwarzmarkt.