„Es muss mehr gebaut werden“ Düsseldorf droht massiver Verlust von Sozialwohnungen

Düsseldorf · Noch knapp 15.000 öffentlich geförderte Wohnungen gibt es in Düsseldorf, die Zahl sinkt seit vielen Jahren. Und ein Drittel der Einheiten fällt im Laufe der nächsten fünf Jahre aus der Bindung.

An der Erkrather Straße sind im Grand Central knapp 150 Sozialwohnungen gebaut worden. Noch 900 weitere Wohnungen können entstehen.

Foto: Anne Orthen (orth)

Die Zahl der Sozialwohnungen in Düsseldorf nimmt immer weiter ab. Zum Jahresende ist ein neuer Tiefststand erreicht worden – mit 14 518 Einheiten. Damit setzt sich ein jahrelanger Trend fort: Zehn Jahre zuvor waren es noch über 18 000 Sozialwohnungen, sogar doppelt so viele waren es im Jahr 2000. Der Grund für den rapiden Schwund: Es fallen anhaltend mehr Wohnungen aus der Preisbindung als neue entstehen.

Wie dringend dieses Verhältnis ausgeglichen werden muss, zeigt ein Blick in die Zukunft. Denn wie viele Wohnungen in nächster Zeit aus der Bindung fallen werden, ist bekannt. Die Stadt sagt auf Nachfrage, dass nach Stand heute in den nächsten fünf Jahren mehr als 5000 Wohnungen aus der Mietpreis- und Belegungsbindung fallen werden.

Wie soll das bei der aktuellen Baukrise kompensiert werden? Die Stadt führt aus, dass sie da auf einem guten Weg sei. Planungsdezernentin Cornelia Zuschke erklärte neulich im Wohnungsausschuss, dass man eine Balance erreicht habe. Schaut man auf die Zahlen, geht die Rechnung allerdings noch nicht ganz auf.

So sind im vergangenen Jahr 1194 Wohneinheiten aus der Bindung gefallen. Dem gegenüber stehen zunächst einmal 711 Wohnungen, für die es 2024 Förderzusagen gab (Förderweg A und B). Fertiggestellt werden sollen die Objekte möglichst 2026. Hinzu kommen Förderzusagen für die Modernisierung von 34 Wohnungen. Für 70 Wohnungen sind zudem Belegungsrechte erworben worden.

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Zuletzt führt die Stadt auf Nachfrage unserer Redaktion 189 Wohnungen auf, die durch das neue Impulsprogramm entstehen sollen – mit Mietbindung für das mittlere Preissegment bei zwölf Euro. Sozialwohnungen sind das also nicht. Und selbst diese Objekte könnten das Minus unterm Strich noch nicht ganz ausgleichen.

Dennoch, bei der Politik gab es von CDU und Grünen viel Lob für die Verwaltung. Von einer „enormen Zahl“ sprach Angelika Penack-Bielor (CDU) mit Blick auf die 711 neu auf den Weg gebrachten Sozialwohnungen, die von rund 2000 Menschen genutzt werden könnten. Harald Schwenk (Grüne) sprach von „einem hervorragenden Ergebnis“. Auch weil im Vorjahr fast 150 Millionen Euro Fördermittel akquiriert worden waren.

Ins Feld führt die Stadt zudem, dass im Vorjahr knapp 3000 Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt worden seien. Auch dadurch werde ein hoher Anteil sozial geförderter Wohnungen entstehen. Auch langfristig sei das zu erwarten. So befinden sich laut Stadt 30 Bebauungspläne mit Wohnungsbau im Verfahren. „Diese haben ein Gesamtvolumen von deutlich über 10 000 Wohneinheiten.“ Nach dem Baulandmodell werden 50 Prozent im öffentlich-geförderten Segment (inklusive Wohnraum für Senioren oder Studenten) vertraglich vereinbart.

Aber werden diese Wohnungen auch wirklich alle und in absehbarer Zeit gebaut? Auf dem Glasmacherviertel zeigt sich, wie unabsehbar die Lage ist. Der neue Eigentümer LEG sieht jedenfalls derzeit keine Möglichkeit, wirtschaftlich neu zu bauen, wie er offen sagt. So kommt etwa Thomas Hummelsbeck von der Rheinwohnungsbau zum Schluss: „Ich habe große Zweifel, dass das Potenzial für neue Wohnungen in Düsseldorf wirklich gehoben wird.“

Er sehe zwar grundsätzlich die Möglichkeit, den Rückgang an Sozialwohnungen zu kompensieren. Aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen glaube er eher nicht daran. Dabei seien die Förderbedingungen des Landes sehr gut, auch das Impulsprogramm der Stadt lobt Hummelsbeck insbesondere mit Blick auf andere Städte sehr. Doch die im Zuge eines Neubaus anfallenden Baukosten seien so hoch, dass die Herausforderung groß sei, „nicht gleich ins Minus zu laufen“.

Das gemeinwohlorientierte Unternehmen Rheinwohnungsbau nutzt das Impulsprogramm auch selbst, beantragt ist die Förderung von der Stadt etwa für einen Teil des Projekts an der Regerstraße mit 100 Wohnungen, 50 Prozent sozial gefördert. Auch für ein kleines Projekt in Flehe soll es verwendet werden.

Als Bestandshalter sieht Hummelsbeck, wie dringend bezahlbarer Wohnraum nachgefragt ist. Vor allem bei kleinen und großen Wohnungen für Familien sei das Verhältnis von Kündigungen zur Nachfrage sehr unausgeglichen und liege bei eins zu 14 und eins zu 17. Zudem sei die Fluktuation niedrig wie nie. Immer weniger Menschen können es sich also erlauben auszuziehen, weil die Bestandsmieten eben deutlich geringer sind als bei neuen Verträgen.

Wie die Lage in ganz Düsseldorf ist, sagt die Stadt auf Nachfrage: So seien Ende 2024 5842 Haushalte als wohnungssuchend registriert gewesen. 998 hätten im vergangenen Jahr versorgt werden können. Ein Sprecher sagt: „Die Wartezeiten variieren hier von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren. Die zum Teil erheblichen Wartezeiten liegen zum einen an einem eingeschränkten Wohnungsangebot, aber auch an den individuellen Voraussetzungen und Anforderungen der wohnungssuchenden Haushalte.“

Hans-Jochem Witzke vom Mieterverein sieht deshalb, dass eigentlich für viel breitere Bevölkerungsschichten öffentlich geförderter Wohnraum zur Verfügung stehen sollte. Jedem zweiten Düsseldorfer stünde eigentlich ein Wohnberechtigungsschein zu. Viele beantragten ihn aber nicht. „Ich schätze die Bemühungen der Stadt nicht gering. Aber das Potenzial von 10 000 Wohnungen wird uns schon lange verkauft.“

Für ihn ist wie für Hummelsbeck klar: „Es muss mehr gebaut werden.“ Beide glauben zudem nicht, dass der Ankauf von Belegungsbindungen ein wichtiger Hebel sein könne. Witzke fordert vielmehr, dass die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWD) für eine noch viel größere Bauleistung ausgestattet werden müsse.

Zudem richtet Witzke auch einen Appell an die Düsseldorfer: Es sei sehr schwierig, dass sofort Nachbarschaften protestierten, sobald neu gebaut werden soll.

(ale ujr)