(fhi) Bonnie hat einen innerlichen Zwist mit sich auszutragen. Immer wieder schaut sie aus ihrem kleinen Häuschen. Davor steht Lisa-Marie Budell mit einem Eimer voller Köstlichkeiten. Die Auszubildende des Tierparks Tannenbusch möchte die kleine Waschbärendame aus ihrem Versteck locken. Schließlich siegt die Neugier. Bonnie klettert aus dem Häuschen auf den Arm von Budell und schnappt sich die Weintraube, die ihr die Tierpflegerin hinhält. Ein großer Schritt für die Waschbärdame, denn sie und ihr Gefährte Clyde sind erst vor zwei Wochen in das Gehege im Tannenbusch eingezogen.
Die beiden Jungtiere sind rund ein Dreivierteljahr alt und kommen aus der Tierauffangstation „Notpfote“ in Neuss. Ein Jäger hatte die damals wenige Wochen alten Waschbären im Wald gefunden und in die Station gebracht. Dort wurden sie in den vergangenen Monaten aufgepäppelt. Ein Glücksfall für den Tannenbusch. Denn der Tierpark hatte zeitgleich das alte Auerhühner-Gehege am Fuße des Spielplatzes, neben den Luchsen, saniert und hergerichtet und war auf der Suche nach weiteren Tieren. Waschbären standen ganz oben auf der Wunschliste des Dormagener Tierparks. „Somit konnten wir unsere Artenvielfalt erweitern und sind stolz, nun auch die erste Bärenart im Tannenbusch zu haben“, sagt Tierpflegemeister Deniz Schünke. „Zumal der Waschbär zu den Neozoen zählt, also zu den Arten, die in Deutschland ursprünglich nicht heimisch waren. Sie sind jedoch vor rund 100 Jahren per Schiff von Nordamerika nach Europa eingereist und haben sich hier angesiedelt. Da sie jedoch als invasiv gelten, ist unser Waschbärmännchen kastriert.“ Als invasive Arten gelten Tiere dann, wenn sie sich in dem neuen Umfeld ausbreiten und sich das wiederum auf heimische Arten auswirkt.
Waschbären sind Allesfresser. Insekten, Würmer und Käfer sowie Fische, Frösche, Kröten und Salamander, aber auch Obst und Nüsse stehen auf ihrem Speiseplan. Die Kleinbären werden 40 bis 70 Zentimeter lang und wiegen zwischen vier und neun Kilogramm. Sie leben bevorzugt in gewässerreichen Wäldern. Ihren Namen verdanken die Waschbären ihrer Eigenart, ihr Essen stets zu „waschen“. Dies wurde beim Herrichten des Geheges im Tannenbusch berücksichtigt und eine große Tonne mit Wasser aufgestellt. In regelmäßigen Abständen sorgt eine Pumpe zudem dafür, dass eine natürliche Wasserbewegung stattfindet, ähnlich wie bei einem See oder Fluss.
Der Umbau des Geheges erfolgte als Projekt der zwei Auszubildenden des Tannenbuschs. „Wir haben uns zuerst überlegt, was das Gehege bereits bietet und was die Tiere noch benötigen, die hier einziehen sollen“, erläutert Lisa-Marie Budell, die das Projekt mit Steffen Hüsgen rund drei Monate betreut hat. Sie sanierten kaputte Stellen, stutzten die Bäume innerhalb des Geheges und verlegten einen Untergrabschutz, um das Ausbrechen der beiden Tiere zu verhindern. Denn Waschbären graben gerne Gänge. Auch benötigen die Kleinbären Klettermöglichkeiten und Rückzugsorte. Budell und Hüsgen stellten ihnen einen alten, ausgehöhlten Baumstamm auf und schufen Klettermöglichkeiten. Auch das kleine Haus, das am Zaun befestigt ist, wurde von ihnen eigenhändig gezimmert. „Es war ein tolles Projekt. Wir sind sehr dankbar, dass uns so viel Vertrauen entgegengebracht wurde und wir unsere Ideen selbst einbringen und umsetzen konnten“, sagt Lisa-Marie Budell. Dass sich das Ergebnis sehen lässt, betont Tierpflegemeister Deniz Schünke: „Sie haben ein tolles Gehege hergerichtet und sich um die Eingewöhnung der Tiere mitgekümmert. Wir sind wirklich beeindruckt.“