NRW Das stockende Zukunftsprogramm

Grevenbroich · Es wurden Bürger befragt, es wurde Geld ausgegeben, es gab Workshops und auch Arbeitskreise – doch ein Leitbild für die Zukunft der Stadt gibt es immer noch nicht. Liegt’s an der Politik oder an der Verwaltung? Wir haben nachgefragt.

Der 2017 in Gang gebrachte Leitbildprozess wurde 2018 mit einer Zukunftswerkstatt fortgesetzt.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

Wann bekommt die Stadt eigentlich ihr Leitbild? Also jenes Zukunftsprogramm mit dem Titel „Grevenbroich 2030“, das vor mittlerweile vier Jahren eingestielt wurde. Man erinnert sich: Das war eine Aktion, die seinerzeit unter dem Stichwort „Wichtig“ lief. Immerhin wurden 3198 Bürger im Rahmen einer Befragung am Leitbild-Prozess beteiligt, zudem gab es eine Ideenschmiede, an der auch Vereine teilnahmen. Es wurde aber nicht nur Gehirnschmalz, sondern auch Geld investiert: 33 000 Euro für die Kommunalagentur KoPart NRW, die skizzierte, an welchen Schaltern gedreht werden muss, um die Stadt zukunftsfit zu machen.

Alles für die Katz’ – oder kommt das Leitbild noch? Auf Nachfrage gab es aus dem Rathaus allerdings weder ein „Ja“ noch ein „Nein“. Nur das: „Der Spielball zum Leitbild liegt aktuell bei der Politik“, teilt Stadtsprecher Lukas Maaßen kurz und knapp schriftlich mit. Aktuell? Der 130 Seiten starke Abschlussbericht der KoPart liegt seit Ende 2018 vor, auf dessen Basis sollte im Herbst des folgenden Jahres das Leitbild entwickelt und noch vor Weihnachten 2019 verabschiedet werden. Das war der Fahrplan. Jetzt ist 2021 – und schon ziemlich weit fortgeschritten.

Wie soll sich die Stadt in den nächsten Jahren entwickeln? Wie kann Wohnraum geschaffen, die Wirtschaft gefördert, der Strukturwandel gestaltet, der Nahverkehr verbessert, das Klima geschützt, die Freizeitangebote optimiert, die Breitbandversorgung ausgebaut und das Bildungsangebot weiterentwickelt werden? Nur einige von vielen, sicherlich nicht ganz unwichtigen Fragen, auf die Antworten gefunden werden sollten. Hat die Politik das verschlampt?

„Auf keinen Fall“, wehrt sich FDP-Fraktionschef Markus Schumacher. Der „geistige Vater“ des Leitbild-Gedankens in Grevenbroich kickt den von Lukas Maaßen zitierten „Spielball“ ins Rathaus zurück: „Wenn sich Bürgermeister Klaus Krützen als Brückenbauer und Visionär für die Stadt verstehen würde, hätte er längst gemeinsam mit den Ratsfraktionen einen Weg gefunden, um die strategischen Ziele in einem breiten Konsens umzusetzen“, kritisiert er.

FDP-Fraktionschef erwartet „mehr Führungsstärke“

Schumacher erwartet in diesem Zusammenhang „mehr Führungsstärke“ vom Verwaltungschef. „Ich hoffe, dass er möglichst bald die Fraktionen einlädt, damit wir endlich zum Ziel kommen. Sonst wurde Geld für nichts ausgegeben.“ Das sieht CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kaiser ähnlich: Die Politik habe in den Arbeitskreisen aktiv am Zukunftsprozess teilgenommen, nun liege der Spielball am Fuß von Klaus Krützen: „Er hat sich für ein Leitbild stark gemacht – folglich muss er auch derjenige sein, der das zu Ende bringt.“

Nach Kaiser Auffassung waren die von der KoPart präsentierten Ergebnisse zum Leitbild „nur bedingt hilfreich“. Da sei viel Allgemeines vorgelegt worden, „also Dinge, die jeder dritten Stadt übergestülpt werden könnten“. Ein Alleinstellungsmerkmal für Grevenbroich sei nicht darunter gewesen. In den Arbeitskreissitzungen sei der KoPart-Bericht „tutti completti neu definiert worden“ – und das nicht immer im Einklang aller Fraktionen. „Sollte es zu einem Leitbild kommen, vermute ich daher, dass es nur noch mit Inhalten des neuen Bündnisses von SPD, Grünen und Mein Grevenbroich versehen ist“, sagt Kaiser.

Das sieht SPD-Fraktionschef Daniel Rinkert anders. Ziel sei ein Leitbild, das gemeinsam verabschiedet werden müsse – „und nicht 26 zu 24“. Nach der Sommerpause will der Neurather das vom alten Stadtrat angestoßene Thema wieder aufgreifen. „Es muss angepasst werden – mit einem Blickwinkel auf die Pandemie oder das Mobilitätskonzept, das zurzeit entwickelt wird“, sagt er beispielhaft. Den Spielball sieht der Parteifreund von Klaus Krützen übrigens nicht in der Verwaltung. „Er liegt bei der Politik.“