Kein Beweis für Missbrauch
Ein 72-Jähriger soll sich an seiner Stieftochter sexuell vergangen haben. Er wurde freigesprochen.
Grevenbroich. Weil er seine Stieftochter als Kind sexuell missbraucht haben soll, musste sich am Montag ein 72-jähriger Grevenbroicher vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten. Die Verhandlung endete mit einem Freispruch für den Rentner.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, seine Stieftochter in ihrer Kindheit mehrfach missbraucht zu haben. Die heute 28 Jahre alte Frau hatte 2008 der Polizei gegenüber ausgesagt, dass ihr Stiefvater sie zwischen Januar und August 1998 regelmäßig intensiv im Genitalbereich berührt und sich dabei teilweise sexuell befriedigt habe.
Ursprünglich hatte der Prozess bereits vor einem Jahr im April 2011 begonnen. Die Strafkammer forderte ein psychologisches Gutachten an, um die Glaubwürdigkeit der Stieftochter beurteilen zu können. Hintergrund war eine falsche Angabe der jungen Frau zum Heiratsjahr ihrer Mutter und ihres Stiefvaters. Sie hatte 1998 genannt, obwohl die Hochzeit bereits 1994 stattfand. Da die sexuellen Übergriffe zeitlich anhand des Heiratsjahres eingeordnet wurden, kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der jungen Frau auf. Ein psychologisches Gutachten sollte Klärung bringen. Dieser Vorgang dauerte rund ein Jahr, weshalb der Prozess erst am Montag fortgesetzt werden konnte.
Der Angeklagte beteuerte direkt zu Beginn der Verhandlung seine Unschuld: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Er sei aus allen Wolken gefallen, als es hieß, dass er seine Stieftochter missbraucht haben sollte. Er habe sich immer für sie und ihre vier Geschwister eingesetzt, die seine mittlerweile von ihm geschiedene Frau mit in die Ehe brachte. Die Scheidung habe zu keinem Zeitpunkt in einem Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen gestanden. „Das betone ich ausdrücklich“, sagte der 72-Jährige.
Der Vorsitzende Richter verlas anschließend eine Mitteilung der Psychologin, die das Gutachten erstellen sollte. Die junge Frau habe ihr gesagt, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihren Stiefvater nicht von ihr ausgegangen sei. Sie habe niemals gewollt, dass es zu einer Gerichtsverhandlung komme. Deshalb lehne sie ein Gutachten zu ihrer Glaubwürdigkeit ab.
Die Staatsanwältin beantragte daraufhin, den Angeklagten freizusprechen, weil ohne ein Gutachten nicht geklärt werden könne, ob die junge Frau bei ihrer Anzeige 2008 die Wahrheit gesagt hatte. Zur Mitwirkung könne man sie nicht zwingen. Die Strafkammer stimmte dieser Argumentation zu und sprach den 72-Jährigen frei. „Wir haben keine Handhabe, ihm die vorgeworfenen Taten zur Last zu legen“, sagte der Vorsitzende Richter.