Ein Kaarster erkundet Pjöngjang
Patrick Schappert war im Vorjahr für fünf Tage in Nordkorea — und hat heimlich gefilmt.
Kaarst. Der Ton wird schärfer im Nordkorea-Konflikt. US-Präsident Barack Obama und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rufen Kim Jong Un nachdrücklich zur Mäßigung auf. Doch der Machthaber schaltet auf stur.
Was sich aber genau hinter der Fassade des kommunistischen Regimes abspielt, wissen nur die wengisten. Der Kaarster Patrick Schappert konnte sich im vergangenen Jahr bei einer fünftägigen Reise als Tourist einen Eindruck davon verschaffen, wie der Alltag in Pjöngjang und der näheren Umgebung aussieht. Er hat viele Fotos gemacht und gefilmt — zum Teil heimlich.
„Ich bin prinzipiell politisch interessiert, habe aber auch die Herausforderung gesucht, wie weit ich mit meiner Videokamera gehen kann“, sagt der Kaarster. Seine Erkenntnis: „Es war ziemlich weit.“
Die erste Überraschung: Der Visa-Antrag über die chinesische Botschaft war erstaunlich schnell binnen weniger Tage erledigt. An der Grenze musste er wie erwartet Handy und Pass abgeben, iPad und Videokamera durfte er aber behalten. Das Hotel in Pjöngjang genügte durchaus modernen Ansprüchen, „auch wenn klar war, dass man nicht alleine auf den Zimmern ist“, erzählt Schappert. Der fünfte Stock, so geht das Gerücht, ist für die Überwachung der Touristen reserviert.
Was Schappert in den fünf Tagen erlebte, entsprach nicht immer den Erwartungen und Vorurteilen, „oft aber schon. Natürlich sieht man keinen Dreck auf den Straßen. Es gibt nichts zu kaufen, also auch keinen Müll“. Bei über drei Millionen Einwohnern, so dachte er sich im Vorfeld, kann man doch nicht alles stellen. Dennoch erlebte der 45-Jährige Momente surrealen Ausmaßes. Ein Beispiel: „Den Ausländern werden immer zwei fast klinisch reine, prunkvolle U-Bahn-Stationen vorgeführt. Die vermeintlichen Fahrgäste, so hatte ich den Eindruck, waren Statisten.“
Die internationale Gruppe wurde rund um die Uhr von zwei Reiseleitern begleitet. „Die haben mir abgenommen, dass ich lediglich die Schönheit des Landes dokumentieren wollte“, sagt Schappert verblüfft. „Die Nordkoreaner sind ein Stück weit naiv. Aber so abgeschottet wie sie leben, wissen sie es halt auch nicht besser“, so der Inhaber des Großbild-Spezialisten Grobi auf der Matthias-Claudius-Straße.
Kein Militär, keine öffentlichen Gebäude, lauteten die Einschränkungen für den Privatfilmer. Schappert hielt sich nur bedingt daran und ließ die Kamera heimlich während der Busfahrt laufen. Beängstigend sind vor allem die Bilder von Arbeitsbrigaden, die offenbar dazu abgestellt wurden, die mit Schlaglöcher übersäten Straßen notdürftig und von Hand zu flicken oder auf dem Mittelstreifen Unkraut zu jäten.
„Alte Männer, Kinder. Keine Ahnung, wie die da alle hingekommen sind, kilometerweit außerhalb von Pjöngjang. Wahrscheinlich zu Fuß“, spekuliert der Kaarster. Warum es in Nordkoreas Hauptstadt überhaupt sechsspurige Straßen gibt, ist ihm ein Rätsel. „Ich habe so gut wie keine Autos oder Busse gesehen, auch Fahrräder waren selten.“ Alles nur für die Militärparaden?
Natürlich wurde Schappert auch zu beeindruckenden Gebäuden und riesigen, menschenleeren Plätzen geführt. Er sah Kriegsmuseum, Filmstudio, Heldenbaum und nicht zuletzt die Großmonumente von Kim Il Sung und Kim Jong Il auf dem Mansu-Hügel. In dem bombastischen „Haus der Freundschaft“ lagern 300 000 Geschenke an die „beliebten Führer“ des Landes. „Vom ausgestopften Bären bis zur Kalaschnikow“, berichter Schappert.
Was er nur aus der Ferne zu sehen bekam, waren normale Menschen. „Jeder Kontakt zu Zivilisten wurde abgeblockt“, sagt Schappert. Stattdessen wurde ihm immer wieder vor Augen geführt, welch glorreiches Land Nordkorea sei. Dennoch hat er Hoffnung: „In der digitalisierten Welt von heute ist es unmöglich, ein Land auf Dauer so abzuschotten.“