Soziales Leben in Kaarst Gemeinsames Mittagsessen gegen Einsamkeit im Alter
Kaarst · Die Evangelische Kirchengemeinde in Kaarst startete vor einem Jahr in Vorst ihr Mittagstisch-Projekt. Doch die Schwellenangst von Alleinstehenden zu überwinden, ist für die Initiatorinnen schwieriger als gedacht.
„Einsamkeit kann krank machen. Denn der Mensch ist ein ,Herdentier’ und lebt seit Urzeiten in Gemeinschaften. Wie wichtig soziale Beziehungen für Gesundheit und Wohlbefinden sind, zeigt sich spätestens dann, wenn sie fehlen.“ So greift eine Krankenkasse wie die AOK in ihrem Online-Gesundheitsmagazin die Folgen von Einsamkeit auf. Das Thema Einsamkeit hat aktuell Konjunktur – nicht nur bei den Senioren, sondern auch bei den ganz Jungen. Einsamkeit kommt in allen Altersgruppen vor.
Da aber ältere Menschen besonders häufig betroffen sind, gibt es bereits seit vielen Jahren etliche Angebote gerade für Menschen 60 plus. Vor allem die Kirchen sind dabei sehr engagiert. In allen Ortsteilen unterhält die katholische Kirche in Kaarst Seniorenstuben - mit dem Programm Gymnastik, Sitztanz, Gedächtnistraining, Hand- und Bastelarbeiten. Noch umfangreicher ist das Programm, das die Evangelische Kirche in Kaarst älteren Menschen bietet. Jeden Tag in der Woche gibt es gleich mehrere Angebote, von Konversation auf Englisch über Schach und PC-Beratung bis zu Leserunde, Seniorenchor oder Internetcafé. Sogar Lach-Yoga wird einmal im Monat angeboten.
Diese Angebote werden auch gut angenommen – von den aktiven Alten. Doch wie erreicht man die wirklich Einsamen? Die Presbyterinnen Gabriele Stiehl und Hannelore Schankweiler hat das nicht ruhen lassen. „Einen solchen Mittagstisch hätte ich schon immer gerne gemacht“, sagt die Vorster Ärztin Gabriele Stiehl. Sie hatte es schon als Kind geliebt, wenn ihre Eltern vor allem Singles zum Mittagsessen einluden. Ihrer Erfahrung nach tun sich Alleinstehende immer noch schwer, ihre Schwellenängste zu überwinden. Dabei können feste Institutionen wie die Kirchen, aber auch eine Arztpraxis oder der Supermarkt, helfen. Der Diakonie-Ausschuss gab seinen Segen und die beiden Kaarsterinnen starteten mit viel Engagement und Hoffnung vor einem Jahr in Vorst einen Mittagstisch.
Vor einem Jahr mit viel Engagement gestartet
Jeden ersten Donnerstag im Monat um 12 Uhr sollen Menschen beim gemeinsamen Essen miteinander ins Gespräch kommen. Solche Angebote sind nicht völlig neu, etwa in Dormagen laufen Mittagstische seit Jahren mit Erfolg.
Doch von zehn Leuten pro Mittagstisch ist man in allen Kaarster Ortsteilen bis heute noch weit entfernt. Nach dem Katharina-von-Bora-Haus in Vorst kam im Februar die Auferstehungskirche Kaarst dazu, wo der Mittagstisch jeden dritten Donnerstag im Monat angeboten wird. Seit einem Monat sind auch noch die beiden anderen Ortsteile dazugekommen: Am 26. September kamen vier Besucher zum Mittagstisch in der Johanneskirche in Büttgen. Doch zu den ersten Terminen in der Lukaskirche Holzbüttgen meldete sich sogar niemand an.
Doch auch die Intention, Einsame aus ihrer Isolation herauszuholen, konnte noch nicht wirklich umgesetzt werden, gesteht Gabriele Stiehl ein. In Vorst kämen bisher keine Alleinstehenden, sondern zumeist Ehepaare. Und: Die wenigen Männer, die am Anfang da waren, seien schnell wieder weggeblieben. Die Kreise seien für sie vielleicht „zu frauenlastig“ gewesen, mutmaßen die beiden Initiatorinnen. In Büttgen sei der Kreis halb und halb gemischt gewesen. Aber in den Gesprächen am Mittagstisch gäben wohl die Frauen den Ton an. Altersmäßig ist der Mittagstisch auch offen für Jüngere.
Die Themen am Tisch sind ganz unterschiedlich. Sie reichen von Urlaubserinnerungen bis zu Problemchen zu Hause. Selten werde über Krankheiten gesprochen. Und am Essen oder am Preis kann es auch nicht liegen: Der Mittagstisch kostet pro Person neun Euro inklusive Wasser und Tee. Für das Essen sorgt ein Caterer. Zuletzt gab es Hähnchengeschnetzeltes, Rotbarsch oder Gemüselasagne. Beliebt ist Hausmannskost wie Königsberger Klopse oder Wirsingkohl. Ein Teilnehmer, der selber gerne backt, bringt fürs Dessert Plätzchen mit. Dem Konzept der Evangelischen Kirche in Kaarst, die Bio-Kost und integrative Projekte fördern will, folgend, liefert „Paul kocht“, ein inklusives Projekt aus Holzbüttgen, das Essen für den Mittagstisch in der Kirche.