Altrheinarm: Streit um neue Straße

Ein neues Gutachten hat die Möglichkeit einer Straße durch das Latumer Bruch geprüft. Die Meerbuscher Politik zeigt sich empört.

Foto: Bezirksregierung

Das 28 Seiten lange Gutachten zu den Umweltauswirkungen einer neuen Straße durch das Latumer Bruch auf Meerbuscher Stadtgebiet birgt großen politischen Zündstoff. Seit wenigen Tagen liegt es einigen Politikern in Meerbusch vor, und die zeigen sich verwundert über den Verlauf der Trasse, waren sie doch eigentlich davon ausgegangen, dass die lange diskutierte Straße niemals umgesetzt wird. Die Bezirksregierung Düsseldorf bestätigte sogar gestern auf Anfrage, dass im ersten Entwurf des Regionalplans die Süd-Anbindung durch das Latumer Bruch nicht enthalten war.

Das Herner Büro Bosch & Partner ist vom Regionalrat, dem übergeordnetem Planungsgremium, im Sommer 2015 mit dem Gutachten beauftragt worden. Die Erstellung geschah im Rahmen des Regionalplans, der die grobe Entwicklung des Regierungsbezirks Düsseldorf festlegt: Wo sollen Gewerbegebiete, wo Wohngebiete, wo neue Straßen entstehen? Die nun geplante Straße durch das Latumer Bruch zweigt im Norden von der Uerdinger Straße ab, führt über ein neu zu bauendes ein Kilometer langes Teilstück auf die Bismarckstraße, von dort an Ossum vorbei zur Raststätte Geismühle. „Über eine neue Auffahrt an der Raststätte ,Geismühle’ erfolgt eine Anbindung an die Autobahn A 57“, heißt es im Bericht.

Stein des Anstoßes in Meerbusch: Die Gutachter betonen, dass die Straße auf einem Teilstück von 900 Metern landwirtschaftliche Fläche und auf 100 Metern einen Altrheinabschnitt im Latumer Bruch quert. „Erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Flora-Fauna-Habitat-Gebiets können im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden“, heißt es im Bericht. Das Latumer Bruch ist ein durch EU-Regelwerk geschütztes Gebiet. Werden diese Regeln verletzt, müssen zwingende Gründe für den Bau der Straße genannt werden — es muss ein überwiegendes öffentliches Interesse einschließlich sozialer und wirtschaftlicher Art geben, und die Stadt muss geprüft haben, ob es nicht Alternativen zu dieser Straße gibt.

Aus mehreren Gründen sehen die Gutachter Schutzbedarf: Der Kammmolch hat im Latumer Bruch eine Heimat, die neue Straße könnte seinen Lebensraum durchkreuzen. Ebenso lebt dort der Schmetterling Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling. „Auswirkungen auf die Stabilität der Population der Art sind zu erwarten, so dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können“, heißt es im Bericht. Die Gutachter betonen auch, dass eine Gefährdung der Tiere nicht zwingend das Bauprojekt beenden muss — zu prüfen sei, inwieweit eine Tierart später zum „ursprünglichen Gleichgewicht“ zurückkehren könne. Das Gebiet sei auch eine typische Rheinauenlandschaft. Es gebe Röhrichtbestände verlandeter nährstoffreicher Stillgewässer, Seggenriede, Feuchtgrünland-Flächen, feuchte Hochstaudenfluren, Auwaldrestbestände und Bestände des nährstoffreichen Erlenbruchwaldes.

Die Planungshoheit hat der Regionalrat mit 32 stimmberechtigen Mitgliedern. Meerbusch ist nur indirekt über Landrat Hans-Jürgen Petrauschke sowie zwei Rhein-Kreis-Politiker aus Grevenbroich und Dormagen vertreten, Krefeld hingegen mit drei Vertretern, den Ratsmitgliedern Jürgen Hengst (SPD), Bezirksvorsteher in Uerdingen (und Lehrer am Meerbusch-Gymnasium), Manfred Läckes (CDU) und Jürgen Heitzer (parteilos). Landrat Petrauschke hat, so seiner Parteifreundin Angelika Mielke-Westerlage, die Stadt Meerbusch über den Stand der Pläne nicht informiert. Die Bürgermeisterin hält ihren Ärger darüber nicht zurück, sagt aber auch: „Schon aufgrund der gutachterlichen Feststellungen sieht die Planungsbehörde keine Möglichkeit der Realisierung. Gleichermaßen als nicht machbar sieht die Bezirksregierung den Anschluss der K 1 an die A 57.“ Letztlich habe aber der Regionalrat die Planungshoheit. Der soll in wenigen Monaten endgültig entscheiden.