Die gute Seele des Wochenmarkts

Marga Schwarz (86) verkauft in Büderich zweimal in der Woche Backwaren und unterhält dabei Kunden und Kollegen.

Foto: Ulli Dackweiler

„Na, hasse Hunger?“, fragt Marga Schwarz, als die Bedienung vom benachbarten Marktstand sich nähert. Die Antwort wartet sie erst gar nicht ab. Sie mustert die Vitrine ihres Bäckereiwagens, greift nach einem Mürbchen, tütet es ein und streckt den Arm über die Theke: „Bitteschön, Freunde lass ich nie verhungern.“

Und Freunde hat Marga Schwarz viele auf dem Büdericher Wochenmarkt. Jeden Donnerstag und Samstag verkauft die rüstige Chefin aus dem Café Schwarz ofenwarme Brötchen, Croissants, sahnige Teilchen und Kuchen. Das gesamte Sortiment hat ihre Tochter Heike gebacken, die an solchen Vormittagen oft frische Ware nachliefern muss.

Marga Schwarz

Hält man sich etwas länger auf am Stand von Marga Schwarz und hört sie ihre Schwätzchen halten, wird ein Satz von ihr mit Sinn erfüllt: „Der Markt ist zum Quatschen da.“ Neben dem Hotel mit Café hat die 86-Jährige hier ihre zweite Heimat gefunden. Seit zwölf Jahren fühlt sie sich wohl inmitten von Obst, Gemüse, Geflügel, Fisch und Blumen.

Der Markt sei ihr Lebenselixier, sagt sie voller Überzeugung: „Viele in meinem Alter sind schon lange nicht mehr da. Kaum jemand, mit dem ich über frühere Zeiten reden kann. Aber ich habe immer Ansprechpartner.“ Alle Marktleute seien nett und hilfsbereit. Und die Kunden auch. Schon deshalb trifft man Marga Schwarz immer bei guter Laune an. Auch bei Wind und Wetter: „Die frische Luft tut mir gut. Daran bin ich seit früher Jugend gewöhnt“, sagt sie. Ihr Elternhaus war das heutige Hotel am Ende der Niederdonker Straße.

Kurz kommt der Redefluss von Marga Schwarz ins Stocken. Kundschaft schart sich um den Wagen. Mit flinken Händen verstaut sie Ciabatta-brötchen und Krapfen („die sind besonders beliebt“). Dann erzählt sie weiter: „Unsere Schule war im jetzigen Standesamt untergebracht. Wir hatten von dort hinten einen weiten Weg. Die Kinder aus dem Lötterfeld sogar noch ein Stück mehr. Wenn die angerannt kamen, wussten wir, jetzt ist höchste Eisenbahn.“

Der Krieg hinterließ Spuren. Es fielen kaum Bomben auf Büderich, aber eine zerstörte ausgerechnet ihr Elternhaus. Die junge Marga kauerte im Keller. Blut schoss aus ihren Ohren, an den Folgen leidet sie bis heute.

Das Berufsleben begann früh. Mit 17 Jahren führte sie schon die Kasse und lieferte mit dem Fahrrad Backwaren aus. Auf einer dieser Touren lernte sie den jungen Bäcker Helmut Schwarz kennen, der in den Familienbetrieb einstieg. Sie bauten an, bewirteten Generationen von Gästen, organisierten Familienfeiern. „Eine junge Braut, die ich einst bedient hatte, feierte bei uns ihre Goldhochzeit“, erinnert sich Marga Schwarz, die zwei Kinder großzog, zwei Enkeltöchter hat und seit einem Jahr verwitwet ist. Solange sie gesund bleibt, wird sie den Markt nicht sein lassen. „Warum auch? Ich will mindestens 90 werden. Dann rollen wir hier aber den roten Teppich aus.“ Das schnappt eine Passantin auf und ruft ihr zu: „Marga, wir kommen alle!“