Digitalisierung Ein digitaler Zwilling für Meerbusch
Meerbusch · Der Stadtrat hat beschlossen, in Kooperation mit dem Kreis eine digitale, begehbare Kopie der Stadt in Auftrag zu geben.
Der digitale Zwilling ist mehr als ein dreidimensionales Abbild der Stadt. Er ist mehr als ein am Computer begehbares Modell, er soll eine tatsächlich vernetzte Kopie sein, inklusive Wetter, Verkehr und anderen Daten, die sich ansonsten digital schwer in einem Stadtmodell fassen lassen. Ein ehrgeiziges Projekt im Rahmen der Digitalisierung, doch eines, das Meerbusch nun gemeinsam mit anderen Kommunen im Rhein-Kreis Neuss angehen will. Der Stadtrat hat grünes Licht dafür gegeben, dass die Arbeit am digitalen Zwilling für Meerbusch beginnen kann.
Die Stadt Meerbusch unterstützt damit offiziell die Initiative des Landrats des Rhein-Kreis Neuss, einen Antrag auf Förderung der digitalen Zwillinge der Kommunen beim Land Nordrhein-Westfalen zu stellen. Vermutlich wird das Projekt im Nutzerverbund aller Kommunen im Kreis umgesetzt, bis auf die Stadt Neuss haben sich bereits alle Kreismitglieder für die Zusammenarbeit ausgesprochen. Für den Aufbau der digitalen Zwillinge werden für den Rhein-Kreis Neuss Kosten in Höhe von 850 000 Euro erwartet, die über die kommenden sechs Jahre anfallen werden. Darüber hinaus muss alle zwei Jahre eine Aktualisierung des Datenmaterials stattfinden, für die jeweils 280 000 Euro zu Buche schlagen sollten. Gedeckt werden die Kosten durch den Digitalpakt des Kreises und durch zu beantragende Fördermittel des Landes.
Doch was genau ist der digitale Zwilling? Grundsätzlich soll es sich dabei um ein mit der echten Welt vernetztes, öffentlich zugängliches Abbild der Stadt handeln. Bedeutet: Über das Internet hat jeder Bürger, aber auch Behörden und Verwaltung, die Möglichkeit, sich digital in ganz Meerbusch zu bewegen, jede Straße so zu sehen, wie sie ist – ähnlich etwa dem Street View Dienst von Google, der in Meerbusch jedoch nur einzelne Punkte erfasst, vor allem in Büderich, Lank-Latum und Osterath. Weitergehend soll dieses Modell auch in Echtzeit erhobene Daten mit einbeziehen, etwa die aktuelle Wetterlage oder die vorhandenen und besetzten Park-Kapazitäten.
Das Modell soll mit verschiedenen Messstationen verknüpft werden
Entstehen soll dieses Abbild aus einer Kombination aus Luft- und Schrägluftbildern, dreidimensionalen Oberflächenmodellen, Drohnenbefliegungen und Befahrungen durch Autos mit speziellen Kameras, so, dass ein Gesamtbild aus verschiedenen Winkeln und Entfernungen entsteht. Verknüpft wird das so entstehende Modell mit Messstationen, die die jeweils aktuellen Daten mit dem digitalen Zwilling teilen.
Der Stadt und dem Kreis schweben bereits eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten vor. So kann der digitale Zwilling etwa von der Wirtschaftsförderung eingesetzt werden, um Stadtortrecherchen und -beurteilungen zu vereinfachen und Problemlagen bei der Ansiedlung, Sicherung oder Verlagerung von Betrieben zu klären. Die Feuerwehr kann Einsatzszenarien und Katastrophenfälle besser simulieren und planen und im Ernstfall die Einsatzteams mittels der aktuellen Übersicht unterstützen. Im Bereich Umwelt können etwa der Zustand von Gebäuden, die Menge an Solaranlagen, Verschattungen und die Höhe und Durchmesser von Bäumen schnell erfasst werden.
Im Bereich Stadt- und Bauplanung können Ortsbesichtigungen durch digitale Begehungen ersetzt werden, langfristig wird die Entwicklung des Stadtbildes festgehalten, Aspekte wie Barrierefreiheit können übersichtlich dokumentiert und städtebauliche Zusammenhänge überblickt werden. Bürgerfragen können direkt digital vor Ort geklärt und beantwortet werden, zudem erleichtert das Angebot die Übersicht über den Verkehr, zeigt den Zustand von Schildern, Beleuchtung und Fahrbahnen. Die Stadtreinigung profitiert von einer verbesserten Routenplanung und bekommt eine bessere Übersicht über die Verteilung von Müllbehältern. Da der digitale Zwilling öffentlich zugänglich sein soll, bringt er auch für Bürger allerhand Nutzen mit, diese können durch das virtuelle Begehen der Stadt eigene Recherchen erleichtern.
Für die Erstellung des digitalen Zwillings müssen im Rhein-Kreis Neuss etwa 2000 Kilometer Straßennetz befahren und erfasst werden, wobei zwischen Kreis- und Gemeindestraßen differenziert werden muss. Zur Erstellung sind drei solcher Befahrungen in sechs Jahren vorgesehen, die dann mit den anderen Daten kombiniert das Gesamtmodell ergeben. Bundesweit und darüber hinaus haben bereits zahlreiche Städte und Gemeinden ähnliche Projekte auf den Weg gebracht und abgeschlossen, Großstädte wie Köln, Hamburg, Stuttgart und Wien, aber auch kleinere Gemeinden wie Waiblingen, Kamp-Lintfort oder Leverkusen.
Der Rhein-Kreis Neuss hat der Stadt Meerbusch aktuell mitgeteilt, dass für den Landesförderantrag eine zeitnahe Zustimmung der beteiligten Stadträte notwendig sei. Da der eigentlich zuständige Digitalausschuss erst in der kommenden Woche, am 13. September, tagt, hat der Stadtrat bereits im Vorfeld seine Zustimmung für den Förderantrag gegeben, um schnellstmöglich die Anfrage nach den benötigten Mitteln auf den Weg zu bringen.