„Es wäre nicht gut, das Kreuz in den Schulen abzuhängen“
FAZ-Korrespondent Jörg Bremer kommt am Sonntag um 10 Uhr zu einer„Kanzelrede“ in die Büdericher Bethlehemkirche.
Herr Bremer, Sie haben schon in Freiburg, Hannover und Jerusalem gearbeitet, jetzt sind sie in Rom. Was führt Sie nach Meerbusch?
Jörg Bremer: Ich bekomme ja viele Einladungen. Als mir die evangelische Kirchengemeinde Büderich den Vorschlag unterbreitet hat, bei der dritten „Kanzelrede“ zu sprechen, habe ich gerne zugesagt. Meerbusch selbst kenne ich nicht, die Region aber schon, weil meine Frau und ich Freunde hier haben. Dieses Mal kommen wir für einige Tage in Krefeld unter.
Gehen Sie auch privat in die Kirche?
Bremer: Ja, ich bin aber nicht einer, der mit einem Kreuz um den Hals herumläuft. In Rom gibt es eine protestantische Gemeinde mit der 1921 eingerichtete Christuskirche, in der ich Mitglied bin.
Wie wird denn in Rom das Reformationsjahr 2017 wahrgenommen?
Bremer: In Italien hat man natürlich vielerorts keine Kenntnisse von der Reformation und von Luther. Ich bin seit rund zehn Jahren hier und habe es schon erlebt, dass Leute mich gefragt haben, ob Evangelen auch Christen sind, und ob sie auch an Jesus glauben. Offiziell ist das wohlgemerkt anders, in Rom gibt es beispielsweise mittlerweile auch einen Martin-Luther-Platz. Der katholisch geprägte, aber säkulare Staat hat sich dafür entschieden, ein Statement für den evangelischen Glauben zu setzen.
... der, wie Sie sagen, ja schon seit fast 100 Jahren seinen festen Platz in der katholischen Hauptstadt hat.
Bremer: Wir feiern jetzt sogar das 200-Jahr-Jubiläum. So lange gibt es nämlich schon evangelische Gottesdienste in Rom. Bis dahin durfte man als Protestant zwar beten, aber nicht in Kirchen. Bevor es Häuser wie die Christuskirche gab, konnten die Menschen ihren Glauben nur in ihren Privathäusern leben. Für die zunehmend bessere Verständigung der beiden Kirchen heute ist nicht zuletzt Papst Benedikt XVI. verantwortlich. Franziskus geht nun diesen Weg weiter.
Bekommt das Reformationsjubiläum in Deutschland durch Trump, Le Pen und die Flüchtlingsproblematik zu wenig Aufmerksamkeit?
Bremer: Das hat nichts mit Trump zu tun. Es gibt zweierlei Feinde der Reformation. Das eine ist die Gleichgültigkeit: Wenn Menschen sagen, dass es sie schlicht nicht interessiert, was in der Kirche passiert. Der andere Grund sind jene Katholiken, die in Luther und den Protestanten immer noch ein Feindbild sehen, sowie die Evangelen, die glauben, dass die katholische Seite keine Verständigung wünscht, sondern sie zurück zum Papst führen will.
Was bedeutet das für die heutige Kirche in Deutschland, die diesen Konflikt ja offiziell beigelegt sieht?
Bremer: Dass sie weiter Brücken bauen muss und auf die unendlich vielen Gemeinsamkeiten hinweisen muss. Die Menschen sollten sich zudem wieder mehr auf ihre eigenen christlichen Wurzeln besinnen. Wir werden in der Welt als christliche Gesellschaft wahrgenommen. Es wäre deshalb nicht gut, das Kreuz in den Schulen abzuhängen. Ich war 18 Jahre lang in Jerusalem, dort ist mir klar geworden, wie wichtig die religiöse Identität ist. Wer dort einfach „nichts ist“, gerät in ein Vakuum. Über „nichts“ kann man nicht sprechen, man kann einander nicht verstehen. Religion ist auch eine Basis für die Flüchtlingsarbeit hierzulande, weil man auch im Islam und dem Christentum Ähnlichkeiten ausmachen kann und ein Angebot schaffen, in Gespräche einzusteigen. Das ist übrigens auch ein Statement gegen die AfD!
Inwiefern?
Bremer: Sie nutzt dieses Vakuum, um Angst und Schrecken zu verbreiten, macht aber kein Angebot. Um sich dagegen zu wehren, muss man wissen, wer man ist. Und Deutschland ist Teil des christlichen Abendlands, das auch seine jüdischen Wurzeln hat. bur/Foto: Red