Jeder Zehnte zahlt in die Sterbekasse im Dorf

Wenn ein Familienmitglied stirbt, wird es für die Angehörigen meist teuer. Daher führte Dorfschullehrer Jakob Meier ein Konzept ein. Seit 20 Jahren betreut Inge Rose nun die Kasse.

Foto: Ulli Dackweiler

Am morgigen Totensonntag wird traditionell der Verstorbenen gedacht und auf den Friedhöfen brennen besonders viele rote Lichter. Stirbt ein Familienmitglied, kommt auf die Familie nicht nur die oft überwältigende Trauer zu, sondern auch hohe Kosten. Dafür gibt es in vielen Orten, besonders auf dem Dorf, sogenannte Sterbekassen: In Nierst gibt es sie fast 60 Jahren, seit 1996 führt Inge Rose ehrenamtlich ihre Geschäfte.

Aktuell haben wir 182 Mitglieder, aber die Zahl sinkt stetig“, berichtet Rose, „dabei konnten wir alleine in den letzten beiden Monaten drei Sterbehäuser hier in Nierst unterstützen.“ Konkret sieht das so aus: Stirbt ein Mitglied der Kasse, sammeln Rose und ihre Mitstreiter von jedem Mitglied zwei Euro ein.

Inge Rose, Ehrenamtlerin

Der Gesamtbetrag wird dann der Familie des Verstorbenen übergeben. „Gemessen an den heutigen Beerdigungskosten sind unsere Beträge von 350 bis 400 Euro zwar nicht viel“, sagt die 69-Jährige, „aber es geht ja auch nicht nur um’s Geld.“

Vielmehr zeigt die traditionsreiche Sterbekasse auch, wie die Nierster Dorfgemeinschaft in schweren Zeiten zusammenhält. 1959 wurde die Kasse vom Dorfschullehrer Jakob Meier ins Leben gerufen. „Damals zahlte jeder, der Mitglied wurde, einen Obolus von 1,50 Mark“, erzählt sie, „und wenn dann jemand aus der Kasse starb, wurde noch mal gesammelt.“

Die alten Karteikarten und das schwarze Lederkästchen von damals hat Rose, die in ihrem Heimatort Nierst auch als Lesepatin und in der Seniorenarbeit engagiert ist, immer noch. Mittlerweile hat sie das System aber umgestellt und führt die Mitgliederlisten auf dem Computer weiter.

In die Nierster Sterbekasse einzutreten, ist unkompliziert: Bis zum 40. Lebensjahr muss keine Gebühr gezahlt werden, danach fallen je nach Alter Kosten an. Einen Jahresbeitrag gibt es nicht, die Ausgaben von zwei Euro pro Mitglied fallen nur an, wenn jemand stirbt und die Familienmitglieder Unterstützung brauchen. Von den 1400 Einwohnern in Nierst ist knapp jedes zehnte Mitglied in der Sterbekasse — eigentlich keine schlechte Zahl, doch Rose sagt: „Früher hatten wir deutlich mehr Mitglieder, aber heutzutage wissen viele Menschen gar nicht mehr, dass es so etwas überhaupt gibt.“

In die Sterbekasse sind auch Familienmitglieder, die nicht mehr in Nierst wohnen. „Von denen sammle ich dann ab und zu einen größeren Geldbetrag ein und verwahre ihn in meinem Tresor und entnehme dann zwei Euro daraus, wenn es nötig ist“, erklärt Rose. Auch ihre Familie habe beim Tod von Mutter und Vater Geld aus einer Sterbekasse erhalten, sagt sie, „früher wurde das dann vor allem für die Sargträger und den Blumenschmuck verwendet.“

Was die Familien mit dem Geld machen, ist aber ihnen vorbehalten — wichtig ist für Inge Rose vor allem, dass man im Dorf in Kontakt bleibt und zusammenhält. Gerade in einem kleinen Ort wie Nierst sei diese nachbarschaftliche Hilfe und Zusammenarbeit wichtig: „Der Grundgedanke der Sterbekasse ist die Zusammengehörigkeit, dass man miteinander spricht und füreinander sorgt — und das sollte auch in schnelllebigen Zeiten wie unseren so bleiben.“